Sonntag, 8. April 2018

HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT (1970)















MARK OF THE DEVIL (internationaler Titel)

Deutschland 1970
Regie: Michael Armstrong, Adrian Hoven
DarstellerInnen: Olivera Katarina, Udo Kier, Herbert Lom, Herbert Fux, Johannes Buzalski, Gaby Fuchs, Michael Maien, Reggie Nalder


Inhalt:
Der gefürchtete Hexenjäger Lord Cumberland und seine Schergen lassen sich in einem kleinen Dorf nieder. Der dort bisher tätige Hexenjäger Albino findet das gar nicht lustig und legt sich sogar mit Cumberland an. Indessen tun Cumberland, sein Adept Christian und seine Folterknechte das, was sie am besten können – Angst und Schrecken verbreiten indem sie willkürlich Anschuldigungen gegenüber Frauen und Männern erfinden, Geständnisse durch Folterungen erpressen und Scheiterhaufen anzünden. Doch eine gewisse Vanessa Benedikt, die alsbald der Hexerei bezichtigt wird, soll sowohl Lord Cumberland als auch Christian, der sich in sie verliebt, gefährlich werden...


Die mutige Vanessa (Olivera Katarina)


Christian (Udo Kier) - Hexenjäger in Ausbildung


Die Grausamkeit der Hexenverfolgungen ist ein besonders dunkles Kapitel in der europäischen Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Niemand war vor den falschen Anschuldigungen gefeit und man war der absoluten Willkür, die in den sogenannten Hexenprozessen vorherrschte, völlig ausgeliefert.
Obwohl das Drehbuch von "Hexen bis aufs Blut gequält", insbesondere die hölzernen Dialoge, augenscheinlich nicht besonders ausgefeilt waren, fängt der Film die damalige Stimmung unter der Bevölkerung und die gelinde ausgedrückt fragwürdige Position der Kirche und Machthabenden sehr gut ein.

Die gesamte Problematik und Dramatik und besonders der an den Tag gelegte Sadismus der Folterer kommt trotz manchmal etwas unzusammenhängender Erzählung zur Geltung. Folterungen von unschuldigen Männern und Frauen werden mit lebensecht wirkenden Effekten gezeigt.
Und das alles passiert mitten in einer Umgebung, die uns nicht nur besonders vertraut, sondern sogar fast romantisch erscheint. Die Aufnahmen, die vornehmlich in Österreich (Drehortvergleich hier) gemacht wurden und an deutsch-österreichische Heimatfilme erinnern, bilden einen krassen Kontrast zum Inhalt des Films.
Dies gilt auch für den kultig-kitischigen Soundtrack von Schlagerstar Michael Holm ("Mendocino", "Tränen lügen nicht", "Barfuss im Regen").
Ja liebe Eltern, er hat wirklich die Musik zu diesem brutalen Film gemacht und dank euch und eurer Schallplattensammlung muss ich seine Hits gar nicht im Internet nachlesen, sondern kann sie sogar immer noch mitsingen!

Dort, wo man auf den ersten Blick vermuten würde, dass sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und die Welt noch in Ordnung ist, genau da werden in dunklen Verliesen Daumenschrauben angesetzt, Frauen auf Streckbänken gemartert, Wasserfolter und jede andere erdenkliche Methode angewendet. Da, wo man sich ein beschauliches Dorfleben erwartet, werden Menschen öffentlich geteert und gefedert und die besonders Unglückseligen lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Die überwiegende Zahl der Opfer war weiblichen Geschlechts und als ausgleichende fiktive Gerechtigkeit haben wir es in "Hexen bis aufs Blut gequält" mit einer Frau in der Hauptrolle zu tun. Eine Frau, die eine Heldin ist.
Genauer gesagt die attraktive serbische Schauspielerin und Sängerin Olivera Katarina in der Rolle der Vanessa Benedikt. Vanessa ist selbstbewusst und willensstark. Sie lässt sich nicht unterdrücken und nicht einmal der sadistische Albino (Reggie Nalder) schafft es, sie in Angst und Schrecken zu versetzen.
An ihr beisst sich sogar Lord Cumberland (Herbert Lom) die Zähne aus und sie ist es, die eine Widerstandsbewegung unter der von den Hexenjägern terrorisierten Bevölkerung in Gang bringt.

Obwohl Olivera Katarina mit ihrem süßen Silberblick eine Augenweide war, ist der Star des Films eindeutig Udo Kier. Der deutsche Mime, der es bis nach Hollywood geschafft hat und immer noch in Kinoblockbustern (zuletzt "Downsizing") Rollen ergattert, sah gerade zum Zeitpunkt der Dreharbeiten besonders interessant aus. Hexenjäger-Azubi Christian hat zwar nicht viel zu sagen oder wirklich Relevantes zur Handlung beizutragen, aber während Udo mit dem sprichwörtlichen Stock in dem von hellblauen Samt umhüllten Allerwertesten durch die Gegend tapst und nichtssagende Phrasen drescht, hat man wenigstens ausreichend Zeit, in seinen riesigen grünen Augen zu versinken. 


Kultiger Bösewicht Albino (Reggie Nalder)


Besonders eindrücklich sind neben Udos Präsenz jedoch auch die Szenen in denen Reggie Nalder (Geheimnis der schwarzen Handschuhe, Brennen muss Salem) als sadistischer Hexenjäger Albino den DorfbewohnerInnen das Fürchten lehrt.

Die Bezeichnung "umstritten" trifft sowohl auf die Umstände, unter denen der Film zustande gekommen ist als auch auf das Werk selbst zu.
Die Gerüchte ranken sich um persönliche und künstlerische Differenzen zwischen dem für den Film ursprünglich engagierten britischen Regisseur Armstrong ("Gänsehaut") und dem Produzenten Adrian Hoven, weshalb Letzterer einen Teil der Regiearbeit schließlich kurzerhand selbst übernommen haben soll.
Noch immer besitzt "Hexen bis aufs Blut gequält" deutliches Spaltungspotential beim Publikum. In Zeiten, in denen sogar Mainstream FilmkonsumentInnen etwas derbere Splatterszenen gewohnt sind, wirkt dieser 70er Jahre Exploitationfilm auf Viele gar nicht mehr so schockierend.
Manche halten ihn jedoch weiterhin für unnötig grausam und schimpfen auf die dort zelebrierte Misogynie. Wobei sich mir diese Argumentation nicht ganz erschließt.  Frauenverachtung war immerhin ja eines der Kernprobleme der Hexenverfolgungen. Im Film werden auch Männer gefoltert und müssen blank ziehen und das größte Identifikationspotential besitzt außerdem die heldinnenhafte Vanessa. Aber wir alle sehen schlussendlich das, was wir sehen wollen.

Die sowieso rein subjektiv definierten Grenzen des guten Geschmacks außer Acht lassend bekenne ich hiermit, dass ich mir "Hexen bis aufs Blut gequält" seit vielen Jahren immer und immer wieder mit großem Vergnügen ansehe. Und ich bin froh, dass ich in einer Zeit und Gesellschaft lebe, in der man für solche Aussagen (und manch Anderes) nicht auf einem Scheiterhaufen landet...





Foto: DVD von XT und Blu Ray von Arrow Video




Foto: Digipak (BD) von Turbine






Foto: OST von Diggler Records