Sonntag, 16. Dezember 2018

AMITYVILLE II : THE POSSESSION (1982)



AMITYVILLE 2 – DER BESESSENE

Mexiko, USA 1982
Regie: Damiano Damiani
DarstellerInnen: Burt Young, Rutanya Alda, Jack Magner, Diane Franklin, James Olson, Andrew Prine u.a.


Inhalt:
Die sechsköpfige Familie Montelli zieht in ein Haus in Amityville. Schon bald gibt es Hinweise, dass es im neuen Heim nicht mit rechten Dingen zugeht und auch die Stimmung zwischen den Montellis kippt zunehmend ins Feindselige. Der älteste Sohn Sonny hört imperative Stimmen aus seinem Walkman Kopfhörer, die Böses im Schilde führen und verhält sich immer verrückter. Kann Pfarrer Adamsky der Familie helfen?


Nebel sorgt für eine schaurige Atmosphäre


Vater Montelli (Young) nervt Sohn Sonny (Magner)


Von den ersten drei Amityville Filmen, die ich irgendwann Ende der Achtziger oder Anfang der Neunziger Jahre gesehen habe, ist mir "Amityville 2" als einziger in positiver Erinnerung geblieben.
Es ist mir unerklärlich, warum der erste Teil, der für meine Begriffe vielfach auf besonders kreative Weise interpretiert wird, nicht in der Versenkung verschwunden ist, sondern sogar andere Regisseure zu weiteren Verfilmungen und sogar Remakes inspiriert hat.
In meinen Augen war und ist er sterbenslangweilig. Aber über Geschmack lässt sich tatsächlich nicht gut streiten und nur Wenige können vermutlich nachvollziehen, dass ich ein gewisses Faible für "Amityville 2 – Der Besessene" habe.
Vielleicht keimte in mir schon ganz früh die Leidenschaft für das italienische Kino, wenngleich mir natürlich erst Jahre später bewusst wurde, wer Damiano Damiani (Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie's! oder "Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert") war und dass kein Geringerer als Dardano Sacchetti (Die Gewalt bin ich, Woodoo - Schreckensinsel der Zombies) am Drehbuch kreativ beteiligt war.

"Amityville 2 – Der Besessene" basiert ebenfalls wie der erste Teil der Reihe auf wahren Begebenheiten, die sich in dem berühmten Haus in der gleichnamigen Stadt abgespielt haben sollen. Wobei die Hintergrundgeschichte vom zweiten Teil eigentlich zeitlich vor dem Einzug der Familie Lutz spielt und trotz der Betitelung "Teil 2" somit eher als Prequel zu sehen ist.
Ronald DeFeo, der im Jahre 1974 seine gesamte Familie erschoss und um den sich im darauf folgenden Gerichtsprozess Gerüchte um Geisteskrankheit und sogar einer möglichen Besessenheit rankten, wird im Film von Jack Magner dargestellt. Aus Ronny wurde Sonny, doch die Geschichte wurde so wenig verfremdet, dass die Familie DeFeo sogar eine Klage gegen Produzent De Laurentiis einreichte.

Was mich an "Amityville 2" damals besonders faszinierte und mir deutlich in Erinnerung geblieben ist, ist die Radikalität des Gezeigten. Ich hätte damit gerechnet, dass Sonny den Widerling und Haustyrannen von Vater (Burt Young, u.a. bekannt aus den "Rocky" Filmen) um die Ecke bringt und vielleicht noch seine Mutter, aber all seine Geschwister? So eine Kompromisslosigkeit kannte ich aus den vorwiegend amerikanischen Horrorfilmen, die ich als Kind üblicherweise konsumierte, nicht.
Und damit ist der Film noch lange nicht erzählt, denn ab diesem Zeitpunkt geht es effektmäßig erst so richtig zur Sache.

Wenn ich mir "Amityville 2" heute ansehe, betrachte ich ihn in der Tradition europäischen, vornehmlich des italienischen Horrorkinos. Einerseits sind da diese atmosphärischen Bilder und die düstere Stimmung, die andererseits durch nicht rational erklärbare Merkwürdigkeiten, Over-Acting und einen gewissen Sleaze Faktor radikal in Grund und Boden gestampft wird, um sich in der nächsten Szene dann wieder langsam aufzubauen.
So etwas kennt man beispielsweise auch von Lucio Fulci (z.B. Das Haus an der Friedhofmauer) oder Michele Soavi ("The Church").
Natürlich würde ich nie so weit gehen die oben genannten Filme "Amityville 2 – Der Besessene" direkt gegenüber zu stellen, denn im Gegensatz zu den anderen ist er wirklich kein guter Film.
Aber ein durchaus sehenswerter. Vielleicht befindet er sich eher in einer ähnlichen obskuren Kategorie wie Ugo Liberatores Die Wiege des Teufels, wobei Letzterer allein schon wegen der Venedig Schauplätze wieder etwas höher zu bewerten ist.


Der Gesichtsausdruck des Grauens (Alda)


Rutanya Alda, die Mama Montelli verkörpert, erhielt für "Amityville 2" wohlverdient die berühmte "Goldene Himbeere" als schlechteste Schauspielerin. Wenn man ihre Fratzen, die Schrecken zum Ausdruck bringen sollen, so sieht, muss man einfach schmunzeln. Sie mimt das Entsetzen meiner Meinung nach fast genauso hingebungsvoll wie Daria Nicolodi in Mario Bavas Shock.

Was man dem Film meiner Meinung nach im Gegensatz zum ersten Teil der Reihe nur schwer vorwerfen kann, ist, dass er sich in Belanglosigkeiten verliert . Von der ersten Minute an passiert etwas. Die Montellis haben ein beachtliches, teilweise durchflutetes Tunnelsystem im Keller, in das sich wahrscheinlich nicht einmal der gutmütige Joe the Plumber (Geisterstadt der Zombies) ohne Rückendeckung reinwagen würde. Die Fenster im Haus lassen sich nicht öffnen. Alles nicht der Rede wert! Kann man schon mal so hinnehmen. Spiegel zerbrechen von selbst.
Und solange es noch nicht viel Übernatürliches zu sehen gibt, sorgt Vater Montelli für Stunk. Er ist gegenüber seiner Familie verbal und physisch gewalttätig, er demütigt seine Frau in der Öffentlichkeit, er prügelt einfach drauflos wenn die Kinder nicht brav sind. Er fordert von seinen Sprösslingen ein, dass sie ihm mit "Ja, Sir!" antworten und es bereitet ihm Vergnügen, dem von seiner Frau zur Hilfe gerufenen Priester auf seine spezielle Art zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist und was er von dem Geistlichen hält.
Man ahnt bereits in der allerersten Szene, mit was für einem Menschen man es hier zu tun hat. Lustigerweise schiebt Mama Montellis dann das familiäre Chaos und die häusliche Gewalt auf das neue Domizil. Ihr Mann war vor dem Umzug bestimmt ein mustergültiger Ehegatte.
Als sich dann zwischen Sonny und seiner Schwester Patricia (Diane Franklin) eine inzestuöse Liaison entwickelt (ein bisschen Sleaze und Tabubruch sei dem amerikanischen Publikum auch gegönnt), ist in den Augen der Mutter natürlich einzig und allein die naive jüngere Schwester Schuld an der Misere. Logisch, oder?


Schauspieler Magner, trotz Latexschichten noch erkennbar


Total abgedreht wird es dann in der zweiten Hälfte des Films, in der es um den mittlerweile unzweifelhaft besessenen Sonny geht und Vater Adamsky, der versucht, den Dämon aus dem Körper des Jungen auszutreiben. Nur gut, dass Sonny Darsteller Jack Magner ein derart markantes Gesicht hat, dass er unter den vielen dicken Latexschichten noch zu erkennen ist. Die Maskenbildner hatten vermutlich ihren Spaß mit dem Make-Up und diversen bewährten Ekeleffekten (Blut, Erbrochenes), die natürlich in keinem Exorzismus Streifen fehlen dürfen.
Das Ganze gipfelt dann in einer besonders ungustiösen Szene, in der dem armen Jungen Haut, Fleisch und Muskelfasern aus dem Gesicht fallen, um darunter die böse Kreatur zu offenbaren, die von ihm Besitz ergriffen hat. Diese Szene erinnert mich immer sehr an das Schicksal von Brundle Fly (Die Fliege).

Ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass sich der Linksintellektuelle Damiano Damiani, der für seine politischen Filme mit ausgeklügelten Drehbüchern gefeiert wurde, jemals öffentlich zu "Amityville 2" geäußert hat. Warum er diesen Auftrag angenommen hat und ob er mit seinem Werk zufrieden war, entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. (Böse Zungen im Schattenlichter-Haushalt melden sogar Zweifel an, ob Damiani überhaupt persönlich am Set zugegen war.)

"Amityville 2 – Der Besessene" ist ein herrlich obskurer Vertreter des Horror-Genres der Achtziger Jahre, den ich mir immer von Neuem gerne ansehe und der jedes Mal eine weitere kleine Entdeckung parat hat. Dieses Mal fiel mir das zur Story passende Doors Poster in Sonnys Zimmer zum ersten Mal auf...

"The killer awoke before dawn, he put his boots on. He took a face from the ancient gallery and he walked down the hall. He went into the room where his sister lived, and then he paid a visit to his brother, and then he walked down the hall and he came to a door.
And he looked inside.
"Father?“ "Yes, son?"
"I want to kill you.“ (...)"
The Doors, aus dem Song "The End"

Und alle, die den Film absolut grottenschlecht finden, werden es hoffentlich wenigstens nicht bestreiten, dass der Score von Lalo Schifrin ein absolut zeitloser Klassiker unter den Horrorfilm Soundtracks ist.




Foto: MGM DVD aus Amerika



Donnerstag, 6. Dezember 2018

SPECIAL: FESTIVALBERICHT "IL MOSTRO DI NORIMBERGA"


IL MOSTRO DI NORIMBERGA

Festival des italienischen Giallo-Films
23.-25. November 2018 im KommKino Nürnberg

Etwas später als geplant komme ich nach Krankenstand und einem Wochenendausflug nun doch dazu, einen kleinen Festivalbericht zu schreiben. Wie immer verzichte ich dabei auf ausführliche Reviews zu den einzelnen Filmen, sondern beschränke mich auf meinen Eindruck beim Festival. Filmkritiken zu verfassen würde mir aufgrund des zeitlichen Abstands sowieso etwas schwer fallen. Dazu kommt noch, dass ich mir prinzipiell keine Notizen mache.
Ich lebe und schreibe nämlich ganz nach dem (sich immer und immer wieder bewahrheitenden) Motto "Das Wichtigste bleibt immer hängen!" Ja, es ist so!






FESTIVALBERICHT

Unser erster Tag in Nürnberg begann im Prinzip ähnlich wie ein Giallo. Genau genommen gibt es einige Parallelen zu der Handlung von Malastrana:
...Ein ausländisches Paar macht eine Sightseeing Tour durch eine nebelverhangene Stadt (zugegebenermaßen ist Nürnberg leider nicht zu vergleichen mit Prag, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein), klappert einige Sehenswürdigkeiten ab und trifft sich am Abend mit Freunden zum Essen in einem Restaurant. Während dem Essen fällt dann auf, dass in dem Lokal rundherum ausschließlich SeniorInnen zu sitzen scheinen... Ist das nicht irgendwie suspekt? Was planen sie? Jedem, der das Genre kennt, fällt bestimmt Einiges dazu ein...

Aber Mal Spaß beiseite, wir sind wohl in dem Gasthaus tatsächlich ein bisschen aus der Reihe getanzt. Unser Kellner kam irgendwann an unseren Tisch und fragte, ob wir eine Band sind, was alle sehr nett und auch ziemlich witzig fanden und später zu Spekulationen darüber führte, welche Musik wir denn so im Programm haben würden.
Irgendwann schlurften zufällig noch ein paar weitere Kollegen und FestivalbesucherInnen durch die Tür und plötzlich wurde aus der 9 köpfigen Gruppe eine mindestens doppelt so große Runde. Tische wurden kurzerhand zusammengerückt und schon kam wieder diese heimelige, familiäre und unkomplizierte Stimmung, wie wir sie von den bisherigen Italocinema Festivals kennen und schätzen, auf.


Andi am Mikro (Ja, es ist ein Foto, keine Zeichnung)


Nach Begrüßung und ein paar Worten zum ersten Film seitens "Signor Italocinema" alias Andi ging es direkt los mit


DER KILLER VON WIEN (IT, ES 1971; Sergio Martino)



Diesen Film, der wohl zu einem der großen Klassiker des Genres gezählt werden darf (siehe auch mein Text hier), im 35mm Format im Kino zu erleben, ist für jeden Giallo Fan natürlich etwas ganz Besonderes. Ein Fest für Augen und Ohren, zum Träumen und Genießen. Besonders, da sich die Kopie in einem erstaunlich guten Zustand befindet.
Nachdem ich Der Killer von Wien bereits in Wien (verbunden mit Drehort-Besuchen) auf dem Deliria Italiano Treffen sehen durfte, schätze ich mich glücklich, dass ich nun zum zweiten Mal die Möglichkeit hatte, diesen zeitlosen Klassiker in seiner ganzen Pracht auf großer Leinwand zu genießen.





Nach einer einleitenden Ansprache mit dezent provokativen Thesen (die im Nachhinein noch für Diskussionen sorgten) von Christoph Draxtra ("Terza Visione Festival") ging es direkt weiter mit Lamberto Bavas


DAS UNHEIMLICHE AUGE (IT 1987; Lamberto Bava)




Ein dickbusiges Fotomodell wird von einem voyeuristischen jungen Nachbarn, der im Rollstuhl sitzt, beobachtet und von einem mysteriösen Killer bedroht. Immer mehr Menschen aus ihrem beruflichen Umfeld fallen nacheinander einem ominösen Mörder zum Opfer.
Gepflegte Langweile bereitete uns Lamberto Bava mit diesem Endpunkt des Giallo-Genres, das zugleich auch das Ende des ersten Festivalabends, nicht jedoch das Ende der Nacht einläutete...





Unsere Tradition pflegend saßen wir im Anschluss noch mit Andi und Tobi in der Hotellobby... Und wenn ich nicht um zwanzig vor 4 entschlossen aufgestanden wäre und resolut gesagt hätte: "Ich muss jetzt schlafen"... dann würden wir vielleicht heute noch dort sitzen...

Wenige Stunden später trafen wir uns zwar nicht frisch und munter, aber durchaus fröhlich in gemütlicher Runde wieder zum Burger Essen, mampften andächtig unsere schmackhaften Süßkartoffel-Pommes und machten uns dann (fast) satt (danke, dass ihr alle auf mich gewartet habt, als ich unbedingt noch Macarons als Nachspeise kaufen musste!) auf den Weg zum KommKino.
Dort erwartete uns schon...


DIE MÖRDERKLINIK (FR, IT 1966; Elio Scardamaglia)


Für mich eine Erstsichtung und sicher nicht meine letzte Begegnung mit Dr. Vance (William Berger). Letzterer leitet eine etwas abgelegene psychiatrische Klinik, in der ab und zu Angestellte oder Patientinnen über den Jordan gehen, was der gute Doktor jedes Mal etwas stümperhaft zu vertuschen versucht. Doch nicht nur er selbst, sondern auch seine Frau oder manche Angestellten der Klinik erscheinen bisweilen fragwürdiger als die psychiatrischen Patienten.
Ein höchst amüsanter Giallo, bei dem viel gerätselt werden darf, da erst ganz zum Ende der Geschichte Täter und Motiv erklärt werden und alles so weit hergeholt ist, dass man mithilfe von gesundem Menschenverstand niemals auf die Lösung des Rätsels kommen würde. "Die Mörderklinik" kann, ähnlich wie Das Schloss des Grauens als Mischung zwischen Gothicfilm und Giallo betrachtet werden, begeistert mit schönen Set-Designs, kreativen Wendungen und herrlich (w)irrer Hintergrundgeschichte.


Leider konnte der Filmgelehrte Pelle Felsch für seine Ansprache zum folgenden Film nicht persönlich anwesend sein, aber er war so nett und hat uns eine informative, gut recherchierte und mit seinem oft augenzwinkernden Humor gespickte Einleitungsrede zu Der Tod trägt schwarzes Leder per Video zukommen lassen. Das Ganze wurde ergänzt mit Ausschnitten aus anderen Filmen zur Veranschaulichung des Gesagten oder einfach auch zum reinen Unterhaltungszweck. Es war jedenfalls ein kurzweiliges Vergnügen. Mille grazie!


DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER (IT 1974; Massimo Dallamano)



Diesen Poliziottesco mit Giallo Elementen zähle ich schon seit langer Zeit zu einem meiner Lieblingsfilme, der mit jeder Sichtung in meiner Gunst gestiegen ist (siehe auch Text hier). Und trotzdem war er für mich DIE Überraschung des Festivals, da er mich nun im Kino dermaßen in den Bann gezogen hat, dass er sich direkt in den Olymp des Genres katapultiert hat.








Nach diesem wahrlich berauschenden Filmerlebnis ging es mit einer größeren Gruppe zu einem Lokal namens "Spießgesellen", in dem von den Festivalveranstaltern Plätze für bis zu 40 Personen reserviert worden waren.
Wir hatten einen ganzen Saal für uns allein und es gab sogar eine eigene Speisekarte für das "KommKino und Gefolge". Essen ist natürlich immer Geschmackssache und die Bewertung der Qualität liegt wohl auch meist am Gaumen des Betrachters...  Sollte ich jemals wieder in dieses Restaurant kommen, würde ich auf jeden Fall wieder ein frisch gezapftes Zirndorfer Kellerbier aus dem Tonkrug trinken. Vielleicht auch zwei. Sehr lecker! Wie hieß es nochmal immer in meiner Jugend? Ein Bier entspricht zwei Semmeln? 
In bester Gesellschaft führten wir Gespräche zu Themen, wie sie gewöhnlicherweise in Nerd-Kreisen gepflegt werden. Es ging unter Anderem um gute Remakes, das TV Programm Anfang der Neunziger Jahre und italienische Söldnerfilme.
Nach einer ausreichend langen und angenehmen Pause ging es weiter mit...


UNTER DEN AUGEN DES MÖRDERS (IT 1982; Dario Argento)


Ein Schriftsteller gerät aufgrund der Ähnlichkeit einer Mordserie zu seinem aktuellen Kriminalroman "Tenebre" selbst unter Verdacht und versucht deshalb, den Mörder auf eigene Faust zu stellen...
Geht es um die Filme Dario Argentos, muss ich bekennen, dass ich nicht zu denjenigen gehöre, die seine (Früh-)Werke uneingeschränkt verehren. Deshalb war Tenebre für mich eine Erstsichtung. Der Film ist in der deutschen Kinofassung gekürzt und mein desinteressiertes Hirn und meine übermüdeten Augen nahmen leider noch weitere willkürliche Kürzungen an der generell etwas wirren Geschichte vor, weshalb ich mich hüten werde, einen abschließenden Kommentar dazu abzugeben. Wobei mich das Gesehene ehrlich gesagt nicht sonderlich motiviert für eine Zweitsichtung. Aber sag niemals nie...



Mit einem großen Fragezeichen im Kopf verließ ich nach der Vorstellung den Saal und machte mich mithilfe einer Mate-Cola wieder halbwegs munter für den nächsten Film, nämlich...


DIE GROTTE DER VERGESSENEN LEICHEN (IT 1971; Emilio Miraglia)



Ich habe ein Herz für diesen herrlich verworrenen Unfug, was ich in einem etwas ausführlicheren Text an dieser Stelle bereits zum Ausdruck gebracht habe.
Wenn Anthony Steffen als Lord Cumberland wirr mit den Augen rollt und Erika Blanc lustige Striptease Vorführungen zum besten gibt, hebt das meine Stimmung immer ungemein. Die farbenprächtige Projektion trug ihr Übriges zu einem unvergesslichen Kinoerlebnis bei.








SUSPIRIA (IT, USA 2018; Luca Guadagnino)


Wir befinden uns in einem fiktiven Berlin der Siebziger Jahre. Die Amerikanerin Suzy feiert gerade den größten Erfolg ihres Lebens – sie wird in die berühmte Tanzakademie aufgenommen. Ihr Traum beginnt. Doch bald findet sie heraus, dass hier Einiges im Argen liegt und Schülerinnen spurlos verschwinden. Wird es doch ein Alptraum?
Ich habe mir noch keine abschließende Meinung zu diesem Film gebildet, werde ihn aber in Bälde ein zweites Mal im Kino ansehen. In etlichen Rezensionen wird das lose auf dem Original basierende Remake entweder über alle Maßen gelobt oder – wie in letzter Zeit häufig – mit Schmähkritiken überzogen. Letztere sind in ihrer Wortwahl zwar wohl überlegt und schön ausformuliert. Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Reaktionen etwas überzogen sind. Auf der geschichtlich-politischen Interpretationsebene scheint er jedenfalls ein Tabubrecher zu sein und beim Publikum bisweilen intensive emotionale Reaktionen hervorzurufen.
Ich würde dem Regisseur gewisse historische Ungenauigkeiten auf keinen Fall vorwerfen wollen, immerhin haben wir es mit einem Hexenfilm zu tun und wahrscheinlich steht einfach das Transportieren einer gewissen Stimmung im Vordergrund. Bezüge zum Nationalsozialismus wurden ja bereits von Argento angerissen, wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit wie sie von Guadagnino nun ausformuliert wurden. Besonders spannend erscheint mir in diesem Zusammenhang die Parallele zwischen den skizzierten Machtstrukturen. Die streng hierarchischen und menschenverachtenden politischen Strukturen und der Personenkult spiegeln sich im Mikrokosmos "Tanzschule" wider.
Und abgesehen davon sollte man nie das berühmte Zitat aus einem legendären Filmtrailer vergessen: "It's only a movie, it's only a movie..."
Das Set Design und die konsequent kalte, graue, triste 70er Jahre Atmosphäre sowie die vielen herausragenden Schauspielerinnen, die rund um die faszinierende Tilda Swinton herumtanzen, hat mich die Geschichte jedenfalls gebannt verfolgen lassen.
Ein paar Spezialeffekte waren mir leider ein fieser Dorn im Auge, ich reagiere allergisch gegen CGI Blut und ähnliche computergenerierte Effekte, deren Einsatz leider in vielen Genre-Produktionen der letzten Jahre für mein Empfinden überstrapaziert wird.
Und dass Elena Markos am Ende des Films aussieht wie eine Mischung aus Jabba the Hut und Butterball ("Hellraiser") fand ich jetzt dem Gesamtbild des Films nicht besonders zuträglich.
Etwas weniger (Effekte, Laufzeit) hätte dem neuen "Suspiria" wohl nicht geschadet.


Jedenfalls bietet Guadagninos "Suspiria" ausreichend Grundlage für kontroverse Diskussionen und er inspirierte auch viele Festivalbesucher (einschließlich mich), im Anschluss an die Vorstellung ihren persönlichen Assoziationen und Analysen freien Lauf zu lassen. In einer kleinen Runde tauschten wir noch ein paar erste Gedanken aus. Doch leider blieb uns nicht ausreichend Zeit, da es zügig weiterging mit...


EXZESS – MORD IM SCHWARZEN CADILLAC (IT 1969; Alberto De Martino)


Journalist Michael trifft zufällig seinen alten Kumpel Dieter Lambert wieder. Dieter ist reich und erfolgreich, immerhin ist er das (überaus schmierige) Werbegesicht eines Großkonzerns. Als er kurz darauf mit seinem Auto tödlich verunglückt, entdeckt Michael Hinweise, dass ein Mordkomplott hinter dem Ableben seines Freunds stecken könnte und beginnt mit eigenen Nachforschungen...
Ja, zu viel Erfolg und Geld kann den Charakter ganz übel verderben. Zumindest wird dies bei unserem Schmalzbubi in diversen Einblendungen über seine vergangenen Exzesse und Taten ersichtlich. Und seinem Kumpel Michael soll es im Laufe seiner Recherchen im Umfeld des Verblichenen ähnlich ergehen. Reiche Frauen, jung und alt, ständig bereit für ein Schäferstündchen, lauern den beiden Charmebolzen quasi an jeder Ecke auf, um sogleich ihre weiblichen Verführungskünste unter Beweis zu stellen.
Ich werde mit nichts und niemandem so richtig warm im Film, mir fehlt das Interesse an den eindimensionalen Charakteren. Ihre Interaktion und ihr Handeln wirken beliebig und oft nicht nachvollziehbar. Wenigstens ist die deutsche Synchronisation ab und zu für einen Lacher gut.
Italienischen Genrefilmen, die in Amerika spielen, fehlt für meinen Geschmack meistens (Ausnahmen gibt es natürlich) das italienische Flair. Bei "Exzess..." geht es mir leider auch so.
Für mich wirkt das Gesamtkonzept ähnlich daneben, wie wenn man seinen Aperol zum Dessert trinken oder Spaghetti mit Messer und Gabel essen würde...


NACHT DER ROLLENDEN KÖPFE (IT, ES 1972; Maurizio Pradeaux)


Kitty (Nieves Navarro aka Susan Scott) wird durch ein Münzfernrohr zufällig Zeugin eines grausamen Mords, bei dem eine Frau in einer Wohnung von einer schwarz gekleideten Gestalt mit einem Rasiermesser getötet wird. Bald darauf gibt es plötzlich Hinweise darauf, dass Kittys Freund Alberto der Mörder sein könnte und das Paar sieht sich plötzlich in der Situation, die Polizei zu unterstützen und auch auf eigene Faust zu ermitteln...
Auch dieser Film war eine Erstsichtung für mich und ich habe ihn direkt in die gelbe Schatzschatulle meines schwarzen Herzens geschlossen! Warum? Weil der Film in Rom spielt, weil er spannend und witzig ist, weil Susan Scott (wie in Death walks at Midnight) in ihrer Rolle wieder mal so herrlich eigensinnig und zu Allem entschlossen ist, weil "Hans Krutzer" immer wieder mal irgendwo durchs Bild schleicht, weil die Drehbuchautoren mit roten Heringen nur so um sich geworfen haben und der Film neben einem Rasiermessermörder alles beinhaltet, was traditionell zum Giallo-Genre gehört.
Ich nehme mir mal vor, bei einer wiederholten Sichtung etwas ausführlicher darüber zu schreiben, weil ich finde, das hat der Film verdient.


DER TODESENGEL (IT 1971; Maurizio Lucidi)


Einer meiner Lieblingsfilme (ausführlicher dazu hier)! Im Vorfeld bleibt mir schon fast ein großes Stück meines Flammkuchens im Hals stecken als mir Konni beim Abendessen berichtete, dass mehrere Minuten fehlen. Etwas beruhigt wurde ich von der Erklärung, dass das fehlende Material identifiziert werden konnte und es sich angeblich nur um eine einzelne Szene handelt, die nun extra von der (kommenden) Koch Blu Ray reingebeamt wird.
Neben einigen kleinen, aber doch störenden Sprüngen bei Dialogen und Musik konnte ich schließlich noch mehr Szenen(-fragmente) ausmachen, die gefehlt haben.
Daher konnte die fein gesponnene Intrigengeschichte und die emotionale Komponente, speziell die sich langsam steigernde Verzweiflung von Stefano, nicht so deutlich zur Geltung kommen und nicht annähernd die Spannung und Dramatik erzeugen, die dem Film normalerweise innewohnt.
Doch was ich von der Koch-VÖ gesehen habe, versöhnt mich und steigert meine Vorfreude auf die Blu Ray. Auch wenn der Film atmosphärisch aufgrund der sich in eher schlechtem Zustand befindlichen Kopie beraubt wurde, war es ein schöner Festival-Abschluss. Und ich wurde bei dieser Gelegenheit wieder mal daran erinnert, endlich mal mein ultimatives Todesengel Drehort-Special (mit Fotos von Mailand und Venedig) hochzuladen...


FAZIT


Organisatorisch und atmosphärisch war das Italocinema Festival 2018 sogar noch eine Steigerung zu den bisherigen Veranstaltungen. Selbstverständlich hingen wieder einige Filmplakate im Foyer, aber diesmal gab es noch eine ganz besondere Deko: der Schaukasten wurde mit schwarzen Lederhandschuhen, einer Rasierklinge und der Roten Dame Figur bestückt, eine große Flasche J&B daneben platziert. Zu den wie immer schön designten Dauerkarten bekam man einen Mini- J&B als Zugabe. Vor den Filmen wurden die passenden Dias auf die Leinwand projiziert. Natürlich musikalisch untermalt mit vertrauten Klängen aus dem O.S.T..
Dadurch kam schon vor der jeweiligen Vorstellung das richtige Giallo-Feeling im Kinosaal auf.


Es war außerdem erfreulich, dass dieses Mal die Anzahl von KinobesucherInnen deutlich höher als bei den vorangegangenen Italocinema Events (siehe auch Bericht 10 Jahre Jubiläums-Festival und Bericht Norimberga Violenta) war. Ob es an der zunehmenden Popularität von Italocinema generell liegt oder ob es dem allseits beliebten Giallo Genre geschuldet war, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich hoffe, dass Ersteres mehr zutrifft und bin jetzt schon wieder voller Vorfreude auf das kommende Ereignis im Jahr 2019 wenn es dann heißen wird

"TERRORE A NORIMBERGA"!


Andi, Konni, Tobi, den Filmvorführern vom KommKino und alle, die in irgendeiner Form zum Gelingen dieses Festivals beigetragen haben, möchte ich meinen Dank aussprechen und nochmals imaginär applaudieren.
Danke für eure einleitenden Worte, die Trailershows, Verlosungen (mit Preisen der Labels Colosseo, SubKultur, CMV und X-Rated), das schöne Programmheft (besonders lesenswert ist auch der humorvolle und gleichzeitig gehaltvolle Einleitungstext von Christian Keßler über das Genre), die hübsch anzusehenden Dauerkarten, die Diaprojektionen, die liebevoll zusammengestellte Musik und natürlich an Koch Media für die Unterstützung bei Der Todesengel.

Das Wochenende mit dem "Mostro di Norimberga" war ein unvergessliches Erlebnis.
Die gezeigten Filme (und deren Bildqualität) waren allererste Sahne, die Projektionen ziemlich reibungslos und die gesamte Atmosphäre einladend und absolut festival-würdig.
Ein Event, von dem ich noch lange zehren werde und bei dem trotz größtenteils straffem Zeitplan doch noch ausreichend Zeit für Begegnungen auf persönlicher Ebene mit lieb gewonnenen Freunden, Bekannten und neuen Festival-Gästen blieb.

Und so streiften wir uns unsere schwarzen Lederhandschuhe über die Hände und tauchten mit einem lachenden und einem weinenden Auge ein ins Dunkel der Nacht...






Dienstag, 23. Oktober 2018

MANDY (2018)





MANDY

USA 2018
Regie: Panos Cosmatos
DarstellerInnen: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache, Ned Dennehy, Olwen Fouéré, Richard Brake u.a.

Inhalt:
Red und Mandy leben zurückgezogen auf dem Land. Red arbeitet als Holzfäller, Mandy in einer Tankstelle. Eines Tages kreuzt sich Mandys Weg mit dem des verrückten Sektenführers Jeremiah Sand. Jeremiah beauftragt daraufhin seine Gefolgschaft, Mandy zu kidnappen. Die Ärmste wird schließlich vor den Augen ihres Liebsten bestialisch ermordet. Reds Rachefeldzug beginnt...


Red (Cage) leidet... noch


Jeremiah (Roache) triumphiert... noch


(Und schon melde ich mich kurz aus der groß angekündigten Blogpause zurück – ich war nämlich letzte Woche im Kino und es juckt mich gerade in den Fingern...)

Als wir den Trailer von "Mandy" gesehen haben, stand für uns fest: diesen Film müssen wir auf einer großen Leinwand erleben! Also machten wir uns vor ein paar Tagen zum zweiten Mal (siehe Bericht über das Argento Double Feature) auf den Weg in das gemütliche und sympathische Zebra Kino in Konstanz.
Manchmal kommt man sich in Gesellschaft von Cineasten ja ein bisschen vor wie in einer Geheimloge. Als wir die Treppe zum Kino hoch gingen, kam uns ein netter Mensch entgegen, der uns mit einem Grinsen und in verschwörerischem Tonfall fragte: "Wollt ihr zu Mandy?"
Was wir natürlich sogleich bejahten, woraufhin er uns erklärte, dass gerade noch eine Vorstellung läuft, aber er uns schon mal das Foyer aufsperrt, wenn wir leise sind.
Manchmal frage ich mich, wie solche Dialoge wohl auf Unbeteiligte wirken mögen...
Vor dem Film gab es ein paar einleitende Worte und sogar eine Verlosung.
So lieben wir Kino!

"Mandy" ist zwar ein durch und durch düsterer Film, der aber – ähnlich wie man es von Comic Verfilmungen kennt – von einem augenzwinkernden Humor begleitet wird. Besonders ins Auge springen natürlich sofort die bis zum Exzess verwendeten Filter: Viele Szenen sind in rotes oder andersfarbiges Licht getaucht, Landschaften und auch Kampfszenen zum Teil stark abgedunkelt.
Bei dieser visuellen Reizüberflutung in Kombination mit den wummernden Bässen des wuchtigen Soundtracks entsteht schnell das Gefühl, gerade einen legendär verrückten Alptraum mit Nicolas Cage als Hauptakteur zu haben.
Die Laufzeit von zwei Stunden für diesen Film kann man getrost als mutig bezeichnen. Immerhin ist der Inhalt des Drehbuchs auf zwei Sätze reduzierbar. Es passiert im Grunde genommen tatsächlich Nichts, was nicht vorhersehbar wäre.
Doch bei "Mandy" trifft so deutlich wie selten zu: Der Weg das Ziel. Es geht nicht darum, was passiert bzw. passieren wird, sondern wann und in erster Linie wie. Denn (Hab ich es bereits erwähnt? Egal!) - optisch und musikalisch ist dieser Film eine absolute Wucht.
Ein irrer Trip, bei dem sich das Publikum gemeinsam mit Red (Cage) in einen Wut, Blut- und Drogenrausch begibt. Ein Abschied von der Realität, die es ohnehin nie gegeben hat.
Das Over-Acting und die Selbstironie sowohl von Cage als auch Linus Roache, der den egomanischen Sektenführer Jeremiah Sand verkörpert, machen den Film zu einem unvergesslichen Erlebnis.


Mandy (Riseborough) mit ihrem Black Sabbath Shirt


Auch Andrea Riseboroughs Performance als introvertierte Mandy und die absolut schrägen Hillbilly NebendarstellerInnen hinterlassen einen bleibenden Eindruck.


Eine Delegation direkt aus dem Hellraiser-Universum?


Und für die wahren Freaks unter uns bietet "Mandy" zahlreiche mehr oder weniger versteckte Hommagen an das Genrekino der letzten Jahrzehnte. Pinhead und Butterball ("Hellraiser") lassen grüßen. Manchmal denkt das goreverseuchte Hirn unweigerlich an "Tanz der Teufel" und Peter Jacksons "Braindead". Wir dürfen einem Kettensägen Duell ähnlich dem in "Texas Chainsaw Massacre 2" oder "Phantasm 2" beiwohnen. Erinnerungen an die Traumsequenz in "Das Schweigen der Lämmer" werden geweckt. "Mad Max" und sogar die "Ghoulies" winken uns imaginär zu. Diese schrecklich nervigen satanischen Ghoulies? Ja, genau die!
Angesichts des gerade erlebten Grauens und Entsetzens in stumme Agonie versunken sieht sich Red nach dem gewaltsamen Tod seiner großen Liebe im Fernsehen einen Werbespot an.
Im TV zu sehen ist ein grünes Monster (das an den Toiletten Ghoulie erinnert) namens Cheddar-Goblin, das vor Freude juchzenden Kindern einen breiten Schwall des leckeren gelben Käses über die Köpfe kotzt. Der Slogan "Nothing is better than Cheddar" setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
Diese Absurdität des TV-Programms, das einerseits Normalität vermittelt und doch so seltsam deplatziert wirkt, hat eine dezent verstörende Wirkung. Ähnlich wie in der Traumszene in American Werewolf, in der David zuhause bei seiner Familie eine gewalttätige Folge der Muppetshow ansieht – bekommt man trotz oder gerade wegen dieses einerseits banalen und doch seltsam wirkenden Kinderprogramms unweigerlich das Gefühl, irgendetwas an dieser Welt ist nicht in Ordnung.

Bestimmt hält es niemand für einen Zufall, dass Mandy und Red ausgerechnet am Crystal Lake ("Freitag der 13.") wohnen. Ebenso wenig wie Jeremiah ganz in Frank Booth-Manier ("Blue Velvet") in einer Szene hysterisch "Don't you fucking look at me" brüllt.
Neben den stimmungsvollen Klängen des Filmsoundtracks spielt auch die nicht hörbare Musik eine essenzielle Rolle in "Mandy".
Red und Mandy sind Metal Fans, Mandy trägt Shirts von Black Sabbath und Möetley Crüe. Die Schriftzüge des Filmtitels sehen aus wie ein Logo einer Metal Band (mir fallen dabei unweigerlich die ausgewaschenen Mayhem, Darkthrone und Gorgoroth Shirts meines Exfreunds ein). Wenn man sich daran erinnert, dass in den 90er Jahren in Norwegen, der Geburtsstätte des Black Metals, um die 50 Kirchen im Jahr angezündet wurden, sieht man eine ganz bestimmte Szene auch mit etwas anderen Augen.

An Zynismus kaum zu überbieten ist auch die Sequenz, in der Red gegen Brother Swan kämpft. Letzterer war derjenige, der Mandy angezündet hat und dies bösartigerweise mit dem Satz "The darker the whore the brighter the flame." kommentierte.
Bei der finalen Auseinandersetzung zwischen Red und dem Sektenbruder nimmt dieser Bezug auf Mandys Tod indem er Neil Youngs Song "Hey  hey, my my (into the black)" zitiert: 
"It's better to burn out than to fade away".
Eine etwas eigenwillige und zu wörtlich genommene Interpretation dieses Satzes. So haben dies natürlich weder Neil Young in seinem Song noch Kurt Cobain in seinem Abschiedsbrief interpretiert...

"Mandy" ist ein Film voll unerbittlicher Zerstörungswut, der den abgründigen Geist von norwegischem Black Metal verströmt und sich nicht scheut, sein Publikum mit alptraumhaften Visionen in komprimierter Form zu verwirren.
Cosmatos huldigt seinen dramaturgischen Inspirationen und musikalischen Vorbildern ohne dabei aufdringlich zu wirken.
Nicolas Cage zeigt wie ein verliebter Holzfäller zu einer wahnsinnigen Kampfmaschine voller blinder Zerstörungswut mutiert. Seine anfänglich zur Schau gestellte Verzweiflung entbehrt jedoch nicht einer gewissen Komik, die zum Teil bewusst eingebaut wurde.
Ein Film mit einem prinzipiell ernsten Thema und drastischer Gewalt, der sich aber selbst nicht zu ernst nimmt. Cosmatos präsentiert uns die Wechselwirkung zwischen Gemetzel und Humor auf so herrliche unbedarfte und erfrischende Art, wie man es im Speziellen vom Horror- und Actionkino der Achtzigerjahre kennt. Die Handlung soll übrigens im Jahr 1983 spielen. Ein Zufall? Vermutlich nicht.
Thematisch und optisch gibt es nicht zu verleugnende Parallelen zu "The Crow". Auch einer dieser Filme, der das Publikum spaltet.

Ich behaupte an dieser Stelle aus tiefster Überzeugung, dass "Mandy" nur im Originalton zur Gänze verstanden werden kann, allein schon wegen den oben angeführten Zitaten.
Wer etwas genauer recherchiert oder sich in diesem Gebiet besser auskennt, wird übrigens auch Anspielungen auf prominente amerikanische Killer entdecken.
Man hat am Ende das dumpfe Gefühl, etwas (noch) nicht erfasst zu haben.

FreundInnen von Action-Kino, Funsplatter und Backwoodhorror werden bei "Mandy" jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen. Durch den Trailer erhält man einen relativ präzisen ersten Eindruck, worum es bei diesem Trip Film (nicht) geht.
Wie meine Cousine gestern treffend bemerkte: "Hahaha, der Trailer ist ja der Hammer! Ich hab keine Ahnung worum's geht! Rache und Gemetzel? Sieht crazy aus."
Diese Worte beschreiben "Mandy" ziemlich akkurat.

Jedenfalls freue ich mich schon sehr auf ein baldiges Wiedersehen mit "Mandy" - für November hat KochMedia eine Veröffentlichung angekündigt.





Foto: Mediabook von Koch Media



Sonntag, 30. September 2018

SCHATTENLICHTER BLOGPAUSE

Ich war dieses Jahr nicht besonders produktiv in Bezug auf meine Texte, da uns eine private Veränderung bevorsteht und wir im Zuge dessen etwas weniger Zeit für unser Film-Hobby hatten. Nun kann ich offiziell verkünden:

Unser Schattenlichter-Heimkino zieht demnächst um.
Unsere Schätze (Filmsammlung und dazugehörige Literatur) haben wir schon vor längerer Zeit sicher verpackt und an einem anderen Ort zwischengelagert. Filmplakate und sonstige Fanartikel sind ebenfalls schon verstaut.

Da wir es uns zum Ziel gemacht haben, unser neues Heimkino technisch noch besser auszustatten und noch liebevoller einzurichten als dies bisher der Fall war, wird es nach dem eigentlichen Umzug etwas länger dauern, bis in unserem neuen Zuhause sozusagen wieder der Alltag Einzug hält und ich schreibbereit bin.

Doch Eines ist sicher:

"I'll be back!"



Etwas betrübt guckt unser Filmschaf schon aus der Wäsche



Mein Plan ist, dass ich mich spätestens Ende November mit einem Festivalbericht von unserem heiß ersehnten Italocinema Festival im KommKino Nürnberg, das dieses Mal ganz im Zeichen des Giallos steht, zurückmelde.




Dienstag, 25. September 2018

THE HUNTING PARTY (1971)














LEISE WEHT DER WIND DES TODES

Großbritannien 1971
Regie: Don Medford
DarstellerInnen: Oliver Reed, Candice Bergen, Gene Hackman, Simon Oakland, Ronald Howard, L.Q. Jones, Mitchell Ryan, William Watson, G.D. Spradlin u.a.


Inhalt:
Der gesuchte Verbrecher Frank Calder zieht mit seiner Bande umher und entführt die junge Lehrerin Melissa, von der er Lesen lernen möchte. Als sich herausstellt, dass Melissa ausgerechnet die Angetraute des schwer reichen und sadistischen Brandt Ruger ist, ist es schon zu spät. Denn Letzterer macht gemeinsam mit ein paar Freunden, ausgerüstet mit Gewehren mit enormer Reichweite plus Zielfernrohr, bereits erbarmungslos Jagd auf Frank und seine Truppe...


Ein nachdenklicher Frank (Reed)


Die Frau des Schurken - Melissa (Bergen)


Als Oliver Reed Fan hatte ich diesen gemeinhin als extrem gewalttätig und blutrünstig kategorisierten und wahrscheinlich moralisch verwerflichen Western, an dem scheinbar niemand Gefallen finden kann (oder darf), schon länger auf meinem Radar.
Selbstverständlich gucke ich mir einen blutrünstigen (Filmblut geht immer), angeblich schlechten (ich kann auch Abstriche machen) Western an, wenn Ollie die Hauptrolle spielt.
"So mies kann der doch gar nicht sein" dachte ich mir, als ich den Trailer zu "The hunting party" auf youtube sah.
Glücklicherweise hat Explosive Media diesen bisher raren Film kürzlich in bester Qualität veröffentlicht.

Mit Rezensionen zu Oliver Reed Filmen ist das überhaupt so eine merkwürdige Sache.
Meist findet man in englischsprachigen Quellen die vorherrschende Meinung, dass der rüpelhafte Brite ein schlechter Schauspieler war oder dass er gar überhaupt nicht schauspielern konnte.
Jeder Rezipient scheint, wenn es um den tendenziell unterschätzten und wenig beliebten Engländer geht, plötzlich zum Sucht-Experten oder Fleisch gewordenen Alkomat zu werden und daher natürlich genau beurteilen zu können, ob und wann bzw. in welcher Szene Ollie gerade einen im Tee hatte.
Er wird reduziert auf sein exzessives Trinkverhalten und kaum als ernstzunehmender Schauspieler wahrgenommen.
Beschäftigt man sich etwas eingehender mit der Karriere von Reed, erfährt man beispielsweise durch die Lektüre seiner Biographie What fresh lunacy is this? unter anderem aus Interviews mit Zeitzeugen, dass Ollie am Set äußerst ehrgeizig war. Dass er trotz alkoholbedingten Exzessen und anderen Eskapaden pünktlichst zu den Dreharbeiten erschienen ist, immer seinen Text beherrschte und sich stets um Professionalität bemühte.

Ganz sicher darf man bei einer Aversion gegen Oliver Reed oder seine Art zu schauspielern "Leise weht der Wind des Todes" getrost links liegen lassen.
Auch jene, die kein Herz und kein Verständnis für Exploitation Filme haben, werden mit diesem Film garantiert nicht glücklich.
Das Magazin "The Variety" bildet mit dem Film Review in dessen Online Ausgabe hier keine Ausnahme. Der Brutalo-Western erhält eine negative Kurzkritik und es wird geurteilt, dass Reed und Publikumsliebling Gene Hackman eine eher schlechte Performance geliefert haben.
Im Unverständnis für Exploitationfilme an sich bringt der nicht namentlich genannte Autor des Textes seine Abscheu, doch auch den Kern des Genres und das Thema des Films für meine Begriffe ironischerweise schön auf den Punkt:

"Seldom has so much fake blood been splattered for so little reason." (The Variety online)

Ob man dieses Fazit zum Film nun als positiv oder negativ einordnet, liegt wie immer im Auge des Betrachters. Die Betrachterin, also in diesem Falle ich, findet die Formulierung jedenfalls interessant und angemessen.
"Leise weht der Wind des Todes", der getrost als typischer Eurowestern bezeichnet werden kann, macht wahrlich keine Gefangenen. Doch im Gegensatz zu manchen Italowestern, wo die Charakterzeichnung und -entwicklung differenzierter ist und sich auf subtilerer Ebene bewegt, wird bei "Leise weht der Wind des Todes" heftigste Schwarz-Weißmalerei betrieben.
Das gesamte Drehbuch basiert im Wesentlichen auf dem Krieg zwischen zwei Männern:
Auf der dunklen Seite der Menschlichkeit präsentiert sich der sadistische Ruger (Gene Hackman). Er ist ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft, berühmt und steinreich.
Auf der anderen Seite steht der arme Schlucker von Bandenführer Calder (Oliver Reed), der doch so gerne ein guter Mensch geworden wäre, wenn er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen wäre und mehr Ressourcen zur Verfügung gehabt hätte. Ihm sind Freundschaften und Gemeinschaft wichtig. Und er träumt als Analphabet davon, eines Tages ein Buch lesen zu können. Deshalb hatte er in seiner Verzweiflung wohl kaum eine andere Wahl, als Lehrerin Melissa zu kidnappen.
Dass Frank Calder im Grunde genommen ein netter Mensch ist, erkennt die schöne und mutige Melissa (Candice Bergen) spätestens nach der ersten Vergewaltigung. Sie, die eigentlich Rugers Frau ist, wendet sich nach ein paar bockigen Aktionen und etwas zur Schau gestellter Widerspenstigkeit sodann Calder zu.
ZynikerInnen könnten die These aufstellen, dass Frank sanfter vergewaltigt als Brandt, denn beide nehmen sich Melissa ohne deren offensichtlichen freien Willen.
Aber wir bewegen uns wie eingangs erwähnt in der Exploitation Ecke der ganz frühen 70er Jahre. In diesem Kontext kann man schon mal ein oder ganz kurz auch zwei Augen zudrücken.

Vielleicht passt der Film auch gar nicht so gut in die Kategorie "Western", wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Obwohl Cowboys mit Hüten, Halsbändern und Pistolengurten die Optik prägen, ist die Handlung näher verwandt mit dem Manhuntfilm bzw. Slasher Genre. Die Gruppe um Frank wird nach und nach dezimiert.
Die Effekte sind drastisch, aus den Einschusslöchern spritzt in Zeitlupe Blut, Muskel- und manchmal auch Hirnmasse. Es wird dorthin geschossen, wo es richtig weh tut und nicht alle Opfer von Brandt Ruger sterben einen gnädigen schnellen Tod.
Im Gegensatz zu manchen italienischen Rache-Western wie beispielsweise Satan der Rache, Töte, Django oder Leichen pflastern seinen Weg steht das Motiv für die grausamen Morde Rugers und seiner Männer nicht als Motiv für seine Taten im Vordergrund. Ruger erwähnt zwar, dass er sauer auf Calder ist, der sicherlich bereits seine Frau geschwängert hat und dass er keine Lust hat, einen Bastard von Calder aufziehen und durchfüttern zu müssen. Aber diese Erklärung ist mehr Alibi Funktion. Denn es ist ihm keine himmelschreiende Ungerechtigkeit widerfahren und es wurde ihm auch nicht alles genommen, was ihm lieb und teuer ist. Er hat schlicht und einfach Blut geleckt. Das Überlegenheitsgefühl beim Töten, zu bestimmen, wer wann und wie stirbt, bereitet ihm diabolisches Vergnügen. Er will alles und jeden vernichten.


Ruger (Hackman) hat Blut geleckt...


Ruger findet sichtlich immer mehr Gefallen an der Jagd und dem Nervenkitzel, dem Gefühl von Macht über Leben und Tod. Seine Gefährten äußern ab und an moralische Zweifel an der Menschenjagd, setzen sich jedoch gegenüber dem dominant und autoritär auftretenden Millionär nicht durch.
Dadurch, dass er und seine Begleiter über speziell angefertigte Gewehre mit hoher Reichweite verfügen, können sie sich an sicheren Orten verstecken und ihre Ziele in aller Ruhe ins Visier nehmen.
Ungläubig, doch sehr eindringlich, wiederholt ein Mann aus Franks Truppe fast schon trotzig den Satz "No gun shoots that far!" so lange, bis er selbst zum Opfer Rugers wird.
Verzweiflung macht sich unter den Männern Calders breit.

Candice Bergen, Oliver Reed und Gene Hackman tragen diesen Film und machen ihn zu einem spannenden und absolut intensiven Seh-Erlebnis. Das melancholische Soundtrack-Hauptthema aus der Feder eines meiner italienischen Lieblings-Komponisten, Riz Ortolani, betont und unterstreicht die Dramatik der Geschichte.
Sogar die Romanze zwischen Melissa und Frank entwickelt irgendwann eine gewisse Glaubwürdigkeit, was meiner Meinung nach dem hervorragenden Schauspiel Bergens und Reeds zu verdanken ist. Dennoch tut man gut daran, nicht alles allzu Ernst zu nehmen.

Als Ollie Fan muss man diesen Film gesehen haben! Seine Mimik, diese Blicke aus den blauen, tiefgründigen und doch manchmal getrübt wirkenden Augen sind von einer Intensität, der man sich kaum entziehen kann. Für seine Rolle als Cowboy eignete Reed sich extra einen amerikanischen Akzent an, den er bei einem New Yorker Hamburger Verkäufer öfters gehört hatte.
Es wird zwar manchmal etwas genuschelt und aufgrund der slang-gefärbten Sprache der Cowboys ist zumindest mir nicht immer jedes einzelne Wort verständlich, aber mit Unterstützung von Untertiteln überhaupt kein Problem. Oliver Reed hatte eine wunderbare markante Stimme und sollte unbedingt in Originalton genossen werden!

Trotz der ein oder anderen unnötigen Länge in der zweiten Filmhälfte ist "The hunting party" spannend, mitreißend und bewegend.
Definitiv Pflicht für alle, die mit nihilistischen Eurowestern und den HauptdarstellerInnen etwas anfangen können.





Foto: Blu Ray von Explosive Media



Sonntag, 2. September 2018

RETURN OF THE LIVING DEAD 3 (1993)














DIE RÜCKKEHR DER LEBENDEN TOTEN 3

USA 1993
Regie: Brian Yuzna
DarstellerInnen: Melinda Clarke, J. Trevor Edmond, KentMcCord, Sarah Douglas, Basil Wallace, Mike Moroff, James T. Callahan u.a.


Inhalt:
Curtis und seine große Liebe Julie haben einen üblen Motorradunfall, bei dem Julie sich das Genick bricht. Was für ein Glück, dass der Vater von Curtis ein hochrangiger Offizier der Army ist und gerade mit dem Gas 245 Trioxin Experimente mit Toten macht. Kurzentschlossen bringt Curtis seine geliebte Freundin mit der Schlüsselkarte des Herrn Papa ins Militär-Labor und lässt sie wieder auferstehen. Frisch wiederbelebt ist Julies Hunger unstillbar und es dauert nicht lange, bis sie die ersten Gehirne zwischen die Zähne bekommt...


Handgemachte Zombie-Effekte - immer noch gut!


Julie (Clarke) mit feuerrotem Haar, als sie noch am Leben war


Als glühende Verehrerin des legendären The return of the living dead musste dessen Sequel natürlich eines schönen Abends auch mal aus der Videothek mitgenommen werden. Nach diesem in meinen Augen miesen Abklatsch des Originals verzichtete ich auf die Bekanntschaft mit Teil 3, obwohl mich das Videokassetten-Cover mit Mindy Clarke immer irgendwie magisch anzog.
Um einen "Freddy Krüger-Effekt" (ein Bösewicht, der mit jedem Teil mehr zu einer geschwätzigen Witzfigur mutiert) zu vermeiden, habe ich um "Return of the living dead 3" jedoch immer einen großen Bogen gemacht.
Viele Jahre später habe ich ihn dann aufgrund einer eindringlichen Empfehlung doch auf DVD gesehen. Und zwar in Vollbild mit verwaschenen Farben und relativ unscharf, doch immerhin ungeschnitten.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich auf Anhieb fasziniert von diesem unterhaltsamen Zombiefilm war und mich vor allem die coole Julie begeisterte.
Lange habe ich mich gefragt, wie der von Genrefans und Labels eher stiefmütterlich behandelte "Return... 3" wohl in guter Qualität aussehen würde und hatte jegliche Hoffnung auf ein Wiedersehen in HD eigentlich schon aufgegeben, bis vor nicht allzu langer Zeit endlich Licht am Horizont in Form einer Blu Ray Veröffentlichung in Sicht kam.
Nun sehe ich zum ersten Mal, wie gut die Effekte tatsächlich (immer noch) sind und es ist sogar deutlich zu erkennen, dass Julie feuerrote Haare hat. Was für ein Fortschritt!

"Return... 3" baut nur lose auf der Geschichte des Originalfilms auf. Genau genommen sind die Hauptverbindung die Zombies, die immer noch in Fässern der Army vor sich hingammeln und das Gas 245 Trioxin, das Leichen wiederbelebt, die nach ihrer Auferstehung nur Eines wollen: Gehirn!
Unser schwer verliebter Jungspund Curtis weiß zwar grundsätzlich um diese Problematik, doch macht er sich vielleicht Hoffnung, dass er nach dem Ableben seiner Herzensdame schnell genug reagiert hat, um diesen abscheulichen Nebeneffekt zu vermeiden.
Jedenfalls will der Gute den Tod seiner Liebsten nicht akzeptieren und kennt scheinbar weder Zeder noch "Friedhof der Kuscheltiere"...
Julie hat ein ähnlich gelagertes Problem. Ihr Tod bereitet ihr ebenfalls Probleme, denn sie leidet! Sie hat Schmerzen, sie hat einen unstillbaren Hunger, es geht ihr hundsmiserabel.
Um ihre erbärmliche Existenz etwas zu erleichtern, verletzt sie sich exzessiv selbst. Sie bohrt Metallringe in die Haut, baut sich Glasscherben in die Gesichtshaut ein und zieht sich eine Kette durch (nicht um!) den Hals.


Morbides Styling - faszinierend


Abgesehen von aller zugrunde liegender Tragik der Figur von Julie und obwohl die schöne Mindy Clarke ihre Rolle hervorragend spielt, muss man an dieser Stelle ganz oberflächlich betrachtet anmerken: sie sieht in ihrem Outfit und mit all diesen "Applikationen" aufgemotzt nicht nur gefährlich, sondern auch sehr faszinierend aus!
Julie ist für meine Begriffe gerade wegen dieser selbst gemachten Body Modifications der schönste und kultigste weibliche Zombie überhaupt.
Ihre schwarzen Samtärmel, die zerrissenen Netzstrumpfhosen, ihre Accessoires (Totenköpfe, Ketten mit Kreuzen etc.) und die schwarzen Boots sind stilsicher und lassen vermutlich heute noch fast jedes "Gothic-Girl" vor Neid erblassen. Obwohl die Formulierung mit der Blässe zugegeben etwas hinkt.  Egal. Es geht ja um den übertragenen Sinn.

Der schwerst die Augen vor der Realität verschließende Curt und die am eigenen Tod verzweifelte Julie haben bald nicht nur das Militär, sondern auch eine aggressive Latino Bande auf dem Hals, deren grobschlächtiger Anführer Santos (Mike Moroff, u.a. bekannt aus "From dusk till dawn") vor Nichts zurückschreckt.
Doch sowohl Santos als auch Curt haben die Rechnung ohne Julie gemacht, die kurz vor ihrer endgültigen Verwandlung steht...
Diese folgt quasi in der zweiten Hälfte des Films, in der Blutgehalt und die Menge an zermantschten Gehirnen ordentlich nach oben geschraubt wird und es gore-mäßig dann so richtig zur Sache geht.
Was die Effekte betrifft - das SFX Team, das direkt vom Set von "Armee der Finsternis" zu den Dreharbeiten von "Return...3" kam, hat grandiose Arbeit geleistet. Dies wusste auch Regisseur Yuzna sehr zu schätzen, der nicht aus Zufall direkt zu Beginn des Abspanns ganz groß die Namen der stilprägenden Maskenbildner einblendete.

Man wird dem Film nicht gerecht, wenn man ihn direkt mit The return of the living dead vergleicht, denn diesen Kultstatus kann er gar nicht haben.
"Return... 3" ist isoliert betrachtet ein rundum gelungener kurzweiliger Splatterfilm mit einer Prise tiefschwarzem Humor und meiner Meinung nach auch Brian Yuznas bestes Werk.
Obwohl "Return of the living dead 3" ein typisches Kind seiner Zeit ist, ist er im Vergleich zu anderen Genrefilmen aus den 90ern gut und würdig gealtert.
Alle, die ihn bisher nur in mieser Qualität und eventuell nur in der gekürzten Fassung kannten, sollten vielleicht nochmal einen Blick darauf werfen und sich selbst den Gefallen tun, wenigstens ein Mal auf die wirklich miese deutsche Synchronisation, die der düsteren Atmosphäre des Films keinesfalls gerecht wird, zu verzichten!




Foto: Die schöne Blu Ray VÖ von Koch Media