Freitag, 24. Juni 2016

NO IL CASO È FELICEMENTE RISOLTO (1973)














BETRACHTEN WIR DIE ANGELEGENHEIT ALS ABGESCHLOSSEN

Italien 1973
Regie: Vittorio Salerno
DarstellerInnen: Enzo Cerusico, Riccardo Cucciolla, Enrico Maria Salerno, Martine Brochard, Umberto Raho, Loredana Martinez, Luigi Casellato, Claudio Nicastro, Michele Malaspina u.a.


Inhalt:
Der römische Bahnangestellte Fabio Santamaria flüchtet am Wochenende gerne vor seiner fordernden Frau (und Kind) aus der lauten Großstadt zum Angeln auf's Land. An einem See inmitten einer Schilflandschaft hört er eines Tages die panischen Schreie einer Frau. Als er zur Hilfe eilen möchte, wird er just Zeuge eines grausamen Mordes.
Auge in Auge steht er dem brutalen Killer gegenüber. In seiner kopflosen Panik und auf der Flucht vor dem Mörder, der ihn sogar mit dem Auto durch die Innenstadt verfolgt, scheitert er beim Versuch, die Tat einem Straßenpolizisten zu melden. Santamaria lässt immer mehr Zeit verstreichen, um sich mit dem Mord-Dezernat in Verbindung zu setzen. Währenddessen stattet der Täter, ein harmlos aussehender Lehrer namens Ranieri, der römischen Polizei einen Besuch ab und meldet das schreckliche Vergehen. Er dreht den Spieß geschickt um und liefert eine exakte Täterbeschreibung ab. Dadurch gerät der (noch) ahnungslose Santamaria ins Visier der Polizei.
Nur Journalist Don Peppino hat den Verdacht, dass an der Story des Professors etwas faul sein könnte.
Wird die Wahrheit am Ende ans Licht kommen?


Unschuldslamm Ranieri beim Begaffen einer Minderjährigen


Verzweifelt und überfordert: Durchschnittstyp Santamaria


Regisseur Vittorio Salerno (Fango Bollente) hat mit "Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen" einen ganz bemerkenswerten hochpolitischen Thriller mit einem nach wie vor brisanten Sujet geschaffen.
Fabio Santamaria ist ein Mann, wie er durchschnittlicher nicht sein könnte: angefangen von seiner 0815-Frisur über seinen 0815-Bart bis hin zu seinen Interessen (Angeln und Fußball).
Santamaria fährt einen etwas in die Jahre gekommenen Mini und wohnt in einem für Rom typischen Arbeiterviertel. Er verdient seine Brötchen als Ticketverkäufer an einem Bahnschalter und hat – wie es sich für einen italienischen Mann seines Alters gehört – eine kleine Familie gegründet.
Leider gibt es in der Ehe Spannungen, denn Fabio weiß mit seiner attraktiven Frau (Martine Brochard) nicht besonders viel anzufangen und lässt in seiner Überforderung den Macho-Ehegatten raushängen.
Aber er ist kein schlechter Mensch und bemüht sich redlich, alles richtig zu machen.

Als er durch seine unverhoffte Zeugenschaft in eine Extremsituation gerät, verliert er den Kopf. Er rast wild drauflos und manövriert sich von einer unangenehmen Situation in die nächste verzwickte Lage.
Manche Kritiker bezeichnen ihn bzw. sein Agieren schlichtweg als "dumm". Doch so hart möchte ich nicht über diesen armen Tropf urteilen.
In meinen Augen ist er ein schlichter Mann mit etwas limitierten Möglichkeiten, der durch eine Verkettung von besonders unglücklichen Umständen in eine Zwickmühle gerät. Und wohl instinktiv ahnt, dass er bei der Polizei schlechte Karten haben wird mit seiner Geschichte.
In manchen Milieus ist es sogar heute noch erstaunlicherweise weit verbreitet, dass der Kontakt zur Polizei eher gescheut und wenn möglich vermieden wird. Denn "man könnte ja Ärger mit denen bekommen". "Mit der Polizei hat man besser nichts zu tun" heißt es oft.
Und zwar nicht (nur) unter Kriminellen, sondern vor allem beim einfachen Bürger von nebenan, der sich noch nie etwas zu Schulden kommen lassen hat, aber dennoch bereitwillig weg schaut und im Zweifelsfall nichts gesehen haben will, um nicht die Aufmerksamkeit der Gesetzeshüter auf sich zu ziehen.
Egal, ob es darum geht, sich als Zeuge eines Diebstahls oder eines Autounfalls oder einer Körperverletzung zu deklarieren. Viele Menschen scheuen den Kontakt mit der Exekutive prinzipiell. Mit Zivilcourage ist es auch im Jahre 2016 bekanntlich nicht allzu weit her.
Auch, wenn die Delikte schwerwiegender sind, ist die Zahl derjenigen, die lieber keinen Ärger mit dem Täter und/oder der Polizei haben wollen und nur allzu gerne bereit sind, zu schweigen, hoch.

Vittorio Salerno hat mit dem Charakter des Fabio Santamaria einen solchen Mann quasi überspitzt dargestellt.
Santamaria hat schon zu viel Zeit verstreichen lassen, um sein Handeln gegenüber den Gesetzeshütern schlüssig erklären zu können. Dies wird ihm deutlich bewusst, als die Panik sich legt und der Adrenalinspiegel sinkt. Und er fängt an, die Sache mit seinen intellektuell begrenzten Möglichkeiten innerlich auszuhandeln. Schließlich hofft er, die Sache einfach aussitzen zu können. Vielleicht fasst man den Mörder ja auch ohne seine Hilfe? Vielleicht ist es sowieso besser, nichts mit alldem zu tun zu haben? Für das Opfer kommt sowieso jegliche Hilfe zu spät.
So denkt er und macht sich dadurch zu einem unfreiwilligen Helfer des Mörders. Bis er ein Phantombild von sich in der Zeitung findet.
Ein genialer Schachzug des wahren Täters.
Dieser wiederum ist ein berechnender Psychopath, jegliche seiner Handlungen sind Resultat von eiskaltem Kalkül. Ein Wolf im Schafspelz. Nach Außen hin jedoch ein angesehener ehrenhafter Bürger, als Lehrer sogar ein wichtiges Mitglied unserer Gesellschaft.
Ranieri ist ein glaubwürdiger Zeuge für die Polizei, die (im Gegensatz zum Journalisten) nicht auf die Idee kommt, seine Aussage zu hinterfragen, sondern voller Tatendrang einem Phantom hinterherjagt.
Immerhin ist alles, was der Professor erzählt, mehr als plausibel. So einem wie ihm glaubt man gern.

An dieser Stelle der Erzählung und der Kernbotschaft dieses Films stecken wir schon ganz tief in der Thematik der Sozialkritik und des Anprangerns von Justizirrtümern.
Der Text des wunderbaren Titelsongs "Mamma Guistizia" (von Komponist Riz Ortolani) mit seinem höchst zynischen und schmerzhaft deutlichen Text unterstreicht das Ausgeliefertsein Fabio Santamarias. Er findet klare Worte für die Tragödie des "kleinen Manns von nebenan", der in die Mühlen der Justiz gerät.
"La legge e uguale per tutti", also "Das Gesetz ist für alle gleich" steht an der Wand im Gerichtssaal, in dem Santamaria sich schließlich wiederfindet.
Ein paar Indizien passen zusammen. Was nicht perfekt ins Bild passt, wird bereitwillig übersehen und geringer gewertet. Sogar befragte Zeugen haben sich mittlerweile ihre eigene Wahrheit zusammen gesponnen und entfernen sich in ihrer Aussage immer mehr von den Tatsachen.
Ist ja bereits klar, wer der Mörder ist.
"Wer stiehlt wird dafür bezahlen. Wer viel raubt bleibt in Freiheit" erklärt uns der Songtext kurze Zeit nach der Szene.
Natürlich war die Dramatik dieser Darstellung der damaligen Situation in Italien geschuldet. Nach vielen Attentaten und Verbrechen, die nicht oder nur unzureichend aufgeklärt wurden, war das Vertrauen der italienischen Zivilbevölkerung in Exekutive und Justiz tiefgreifend erschüttert.
Nicht zufällig werden diese Missstände in vielen Poliziotteschi der Siebziger Jahre aufgegriffen und diverse Konsequenzen (Selbstjustiz, Bildung von Bürgerwehren, Machtlosigkeit der Beamten) aufgezeigt.
Das damalige Ausmaß wird heutzutage in den meisten modernen Gesellschaften nicht mehr erreicht. Dennoch: wer den Begriff "Justiz" mit "Gerechtigkeit" oder "Wahrheitsfindung" gleichsetzt und denkt, dass so etwas in der heutigen Zeit nicht (mehr) passiert, dem gratuliere ich zu seiner schön gefärbten Brille.

Der Film lebt natürlich in besonderem Maße von seinen Darstellern. Allen voran Riccardo Cucciolla (Nackt über Leichen, Wild dogs), der den psychopathischen Lehrer im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch intensiv spielt.
Professor Ranieri ist ein Meister der Manipulation. Nicht nur, weil er es virtuos beherrscht, seine triebhafte abartige Seite vor seinem näheren Umfeld zu verbergen oder die Polizei zu täuschen. Es gelingt ihm sogar, in einer direkten Konfrontation den verblüfften Santamaria durch eine geschickte verbale Täter-Opfer Umkehr zu überzeugen, dass er selbst nicht weiß, was er getan hat und sämtliche Handlungen (auch die Falschbeschuldigung) pure Verzweiflungstaten sind. Eine Meisterleistung psychologischer Beeinflussung.

Der arme ungeschickte Tölpel Santamaria wird verkörpert von Enzo Cerusico. Er mimt den unglückseligen Ticketverkäufer Santamaria mit Bravour und holt das Bestmögliche für seine Figur heraus.

Enrico Maria Salerno, der Bruder des Regisseurs, veredelt den Film (ich bin ja fast versucht zu schreiben, das "Drama") durch sein wie immer tiefgründiges Schauspiel. Die Handlung profitiert deutlich von der Figur des "Don Peppino" genannten Journalisten und wird durch ihn um eine weitere wichtige Facette bereichert.
Als Reporter neapolitanischer Herkunft eckt dieser mit seiner Denkweise, seinen Hypothesen und Methoden in Rom an. Er ist der Einzige, dem Lehrer Ranieri ein Dorn im Auge ist und der gewisse (von der Polizei vernachlässigte) Zusammenhänge näher untersucht.

Umberto Raho (Jonny Madoc, Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) ist in einer äußerst kurzen Nebenrolle als Priester zu sehen.
Abgesehen davon ergänzen die übliche Italo-Schauspieler-Riege Luigi Casellato, der wie in Der Todesengel einen Kommissar spielt und Don Giuseppe D'Aniello (Der Teufel führt Regie), also der Schauspieler Claudio Nicastro.

Ein Orden gebührt dem Label "Camera Obscura", das diesen spannungsreichen Italofilm in Form einer qualitativ hochwertigen Veröffentlichung auf den Markt gebracht hat. Endlich kann man dieses Kunstwerk in exzellenter Bildqualität und mit dem richtigen, vom Regisseur intendierten Ende, genießen.
Ich habe "Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen" nun zum vierten oder fünften Mal gesehen und noch lange nicht genug von diesem Film, zumal er mit der Camera Obscura-Scheibe noch viel mehr Vergnügen als bisher bereitet.




Foto: Camera Obscura Blu Ray und Eagle Pictures DVD (aus Italien)




Dienstag, 7. Juni 2016

SPECIAL: KULTKINO 2 IM FILMCENTER DILLINGEN




Ein kleiner Erlebnisbericht

Es ist Samstag, der 04. Juni 2016, ein paar Minuten nach 13 Uhr.
Drei Menschen drängen sich durch die Tür des Stadthotel Convikt, wobei zwei davon sich fast im Türrahmen verkeilen und kurz innehalten müssen, um sich zu einigen, wer nun als Erstes durchgehen darf. 
Ein grandioser Auftritt. Erstaunlicherweise werden wir mit den Worten „Endlich mal normale Leute!“ begrüßt. Damit hätten wir nun wirklich nicht gerechnet und sind etwas unsicher, wie dies tatsächlich gemeint ist. Doch Zeit zum Wundern haben wir eigentlich nicht, denn wir werden schon beim Essen erwartet.


Filmwetter in Dillingen

















In einem griechischen Restaurant, über das ich an dieser Stelle besser nicht allzu viele Worte verliere, treffen wir auf den Rest unserer Gruppe. Wir verteilen ein paar Ouzos "gerecht" unter den Anwesenden, die bestellten Gerichte werden zügig serviert (immerhin will man das Restaurant scheinbar eine halbe Stunde vor den eigentlich angegebenen Öffnungszeiten schließen) und anschließend geht's ab ins Filmcenter Dillingen.


Das hat einfach Stil


Nach Begrüßung des Publikums durch den Kultkino-Organisator Bernd Spring erzählt uns Florian Bahr etwas über den ersten Film. Sehr positiv auf die ohnehin schon euphorische Stimmung der BesucherInnen wirkt sich natürlich aus, dass er plötzlich anfängt, den Titelsong auf Japanisch vorzutragen und die Anwesenden animiert, mitzusingen.
Was für ein  herrlicher Unfug! Ich bin beeindruckt. "KAE-SE!!! KAE-SE!!!" grölt es im Saal.
Und ab geht's mit einem erquicklichen und abwechslungsreichen Programm:



Werbung im Schaukasten



Diesen unterhaltsamen Kaiju kannte ich bereits. Und ich mag ihn. Der Niedlichkeitsfaktor ist zwar etwas weniger hoch als beim letztjährigen Kultkino präsentierten "King Kong gegen Godzilla". Zum Ausgleich dafür versprüht der Film Siebziger Flair (psychedelisch bunte Disco-Szenen und japanische Hippies) und besticht durch den der Bezeichnung "Ohrwurm" alle Ehre machenden Titelsong (und nochmal: "Kaese!").
Der Film schlägt - soweit im Gesamtkontext eines japanischen Monsterfilms möglich - etwas ernstere Töne an mit dem Umweltverschmutzungsthema, das so überzeichnet wirkt, dass es schon beinahe wieder lustig ist. Und Hedorah war für mich Liebe auf den ersten Blick. Das Smogmonster, das Godzillas Bewegungen nachahmt und ihn auszulachen scheint, ist einfach Kult. Der große Kampf am Ende ist etwas lang geraten. Doch wie Godzilla Hedorah am Ende fachmännisch auseinander nimmt, stimmt mich wieder versöhnlich. Kaese!


Oh mein Gott, was für ein genialer (w)irrer Film mit einem total geistig verirrten Hugo Stiglitz! Der Kultdarsteller aus "Großangriff der Zombies" intendierte augenscheinlich, sich selbst als Schauspieler ein Denkmal zu setzen. Hugo (so heißt er auch als Protagonist) mit lässiger Sonnenbrille, weit offenem Hemd oder nacktem Oberkörper und exzentrischem Schmuck (man beachte die Ringe) ist ein übler Schurke mit diabolischem Plan.
Um seiner Sammelleidenschaft (Miezekatzen) zu frönen entführt er per Hubschrauber (!) Katzen und andere Miezen (schöne Frauen), wobei Letztere nach dem obligatorischen Sex-Abenteuer dann wiederum als Futter für die felligen Tierchen herhalten müssen. Logisch, oder?
"Ich mache keine Witze! Sperr mal deine Öhrchen schön auf. Ich werde Chappi aus dir machen für meine Kätzchen!" (Zitat Hugo)
Ich muss diesen Film haben! Mein persönliches Highlight im Kultkino Programm.


1975, also im selben Jahr wie mein heißgeliebter Fango Bollente, entstand unter der Regie von Pasquale Squitieri (Die Rache der Camorra) dieser im Kriminellen-Milieu angesiedelte Film. Joe Dallesandro spielt hier ebenfalls den Protagonisten, nämlich den mit nur wenig Empathie ausgestatteten Delinquenten Aldo. Aldo tut alles dafür, um möglichst schnell 'ne möglichst große Nummer unter den Ganoven Roms zu werden und vernachlässigt darob seine große Liebe.
Die Story ist etwas Null-Acht-Fünfzehn und pendelt zwischen gezwungener Dramatik, Ernsthaftigkeit und unfreiwilliger Komik mancher Dialoge. Meiner Meinung nach war '75 das attraktivste Jahr des adretten kleinen Amerikaners. Er hat danach nie wieder so toll ausgesehen wie zu dieser Zeit. In jeder noch so unerquicklichen Situation (verprügelt und verletzt) kommt Dallesandro einfach unerhört cool rüber. Unterhaltsam. Vor allem für Joey-Fans.


Dass die Kanadier es in den Siebzigern filmtechnisch wirklich drauf hatten, wurde mit dem legendären Black Christmas (1974) erstmalig unter Beweis gestellt. "Party des Grauens" (1976) haut dagegen mehr in die seit "The last house on the left" (1972) populäre "Rape and Revenge" Kerbe. Mir erschien dieser Film im Vergleich zu thematisch ähnlichen Werken etwas zu bieder. Nicht, was die expliziten Gewaltszenen betrifft, sondern die gesamte Inszenierung und das arg gekünstelt anmutende Verhalten der "bösen Buben", die mit ihrem dümmlichen Schuljungen-Charme etwas zu zahm auftreten.
Dafür hat mich die Ähnlichkeit von "Oberfiesling" Don Stroud zu David Soul (Brennen muss Salem) sehr fasziniert. Und natürlich der Anblick der schönen Kurven der edlen Corvette Sting Ray. Einige spannende und sogar amüsante Momente sorgten schließlich alles in allem doch für gediegene Unterhaltung. Für mich allerdings kein Film zum öfter gucken.



Das schöne Programmheft


Das Bemerkenswerte an den bisherigen Kultkino-Veranstaltungen sind neben der sorgfältigen Auswahl an speziellen Filmen (auf 35 mm) der Enthusiasmus und die mitreißende Begeisterung des Veranstalters und der herzlichen Filmcenter-Inhaberfamilie, was in der Tat von der ersten bis zur letzten Minute spürbar ist.
Mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail wurde auch 2016 wieder dafür gesorgt, dass alle zum Teil hunderte von Kilometern angepilgerten Film-Nerds auf ihre Kosten kamen. Vor den Vorstellungen gab es neben einleitenden Worten immer eine abwechlungsreiche Trailershow (für besondere Freude sorgten bei mir "Planet der Vampire", "Mercenario - Der Gefürchtete" und "Muttertag") zur Einstimmung und natürlich zahlreiche Verlosungen.
Und wer kann schon von sich behaupten, dass er einen (im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlichen) Nitrofilm über ein 1949 in Dillingen stattgefundenes Ochsenrennen gesehen hat? Und wer (mit Ausnahme der FestivalbesucherInnen) hat je einen Hedorah-Monstereisbecher gegessen?


Danke an den Veranstalter, die Filmcenter Dillingen-Crew (besonders an den sympathischen Senior-Chef, der es wagte, uns den Nitrofilm vorzuführen) und allen, die dieses magische Film-Event möglich gemacht haben!


Viele Hedorahs


Mein Hedorah - Schokolade und Mango


EPILOG (wie bei Stephen King - am Ende kommt noch was)

Nach einem schönen Festivaltag saßen wir bis zur Sperrstunde mit unseren Freunden in einem Dillinger Pub. Ganz verzaubert von den vielen (Sinnes-)Eindrücken und etwas benebelt vom Bier bogen wir im Hotel prompt in den falschen Gang ab. Dort war es stockdunkel. Als ich den Schalter zu der etwas spärlichen Beleuchtung am Ende des Ganges betätigte, sah ich mich im Halbdunkel mit einer eigenartigen Gestalt konfrontiert. Doch bevor ich mich darüber wundern konnte, drehte ich mich um und sah meinen heldenhaften Freund, dem diese ominöse Erscheinung wohl mächtig Angst gemacht hatte, die Flucht ergreifen (Für Insider: fast "screaming like a banshee", vgl. "Night of the Creeps").
Um die Ecke und weg war er. Ich stand etwas perplex allein vor dem falschen Zimmer.


Der "Übeltäter" - die Gangskulptur
bei Tageslicht


Was auch immer dieses ominöse Gebilde darstellen sollte - es war nicht der Wicker Man, kein Pumpkinhead und auch kein bösartiges Mutantenmonster aus dem All.

Liebe Kinder und ängstliche Erwachsene!

Dies ist der Grund, warum ihr auf keinen Fall zu viele (Horror-)Filme ansehen solltet. Auf keinen Fall, hört ihr???
Und schon gar nicht vier Filme hintereinander im Kultkino 2017 (ja, das wird es geben!) gucken, denn die Auswirkungen auf eure psychische Verfassung könnten desaströs sein. Und Hände weg von Alkohol!


Ein weiterer Eventbericht ist hier auf italo-cinema.de zu lesen. 

Donnerstag, 2. Juni 2016

DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL (1967)














DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL

Deutschland 1967
Regie: Harald Reinl
DarstellerInnen: Lex Barker, Christopher Lee, Karin Dor, Carl Lange, Vladimir Medar, Christiane Rücker, Dieter Eppler u.a.


Inhalt:
Graf Regula wird 1801 wegen Mordes an zwölf Jungfrauen gefoltert und schließlich von Pferden gevierteilt.
Mehr als dreißig Jahre später erhält der Anwalt Roger Mont-Elise eine mysteriöse Einladung, angeblich von Graf Regula höchst persönlich. Er soll, wenn er etwas über seine Vergangenheit erfahren will (Roger kennt weder Eltern noch weiß er etwas über seine Herkunft), sich möglichst bald auf den Weg zu Schloss Andomai im Sandertal machen. Begleitet wird Roger auf seiner Reise von einem etwas rüpelhaften Pfarrer. Unterwegs trifft er auf Baronesse Lilian und ihre Zofe Babette, die das selbe Ziel haben wie er.
Gemeinsam überwinden sie eine Horrorfahrt durch einen gefährlichen Wald, bei der dem Kutscher (im wahrsten Sinne des Wortes) das Herz stehen bleibt. Doch noch gefährlicher wird die Reise beim Eintritt in das berüchtigte Blutschloss. Werden sie es wieder lebend verlassen können?


Es grünt so grün, wenn Christophers Augen glühn...


Dor: Todesangst, aber das Dekolleté sitzt


Kurz nachdem ich Bekanntschaft mit den unvergleichlich ästhetischen Gotikfilmen von Regisseur Mario Bava gemacht hatte, wurde mir dieser Schinken präsentiert.
Etwas gelangweilt von der gefühlt zwei Drittel des Films dauernden Kutschfahrt und dezent enttäuscht von den allzu flachen Dialogen zeigte ich mich wenig begeistert von "Die Schlangengrube und das Pendel".
Doch das liegt mittlerweile über zehn Jahre zurück und aufgrund meiner fortgeschrittenen filmischen Sozialisation sehe ich nun einige Filme in einem anderen Licht.

Heute möchte ich "Die Schlangengrube und das Pendel" in meiner Sammlung nicht mehr missen. Ich habe diesen kurzweiligen Grusler inzwischen einfach lieb gewonnen.
Wenn man sich keinen schwermütigen, düsteren, jederzeit perfekt ausgeleuchteten Genrefilm erwartet, besteht die Chance, die ungemein charmant-naive Seite dieses Werks zu entdecken.
Das Schöne an "Die Schlangengrube und das Pendel" ist seine erfrischende Unvollkommenheit. Sein Mut zur Holprigkeit, der Verzicht auf bedeutungsschwangere Dialoge und die den Kulissen und der wild zusammengeschusterten Handlung zugrunde liegende kindliche Unbedarftheit machen diesen Film zu einem wahren Fest.

Anleihen aus diversen Klassikern des Genres sind klar erkennbar, wurden aber zu etwas wirklich Eigenem modelliert. Ein bisschen Bava, ein bisschen Mad-Scientist, ein bisschen Edgar Allan Poe-Verwurstung, ein bisschen Dracula und schwupps die wupps wird der einst gevierteilte Graf Regula (herrlich: ein etwas grünlicher Christopher Lee) mithilfe des grünen Bluts seines Dieners wieder zusammengesetzt und peinigt die Gäste in seinem Schloss.

Der amerikanische Schauspieler Lex Barker, der sich durch die Rolle des Tarzan und später durch seinen Part als Old Shatterhand in den Karl May Verfilmungen einen Namen gemacht hatte, spielt den galanten und mutigen Roger. Barker gelingt es, trotzt der teilweise konfusen Handlung auch in den kuriosesten Momenten noch erstaunlich seriös zu wirken.
Der attraktiven Karin Dor wurde schauspielerisch für ihre Rolle des ängstlichen Frauchens, das alle fünf Minuten gerettet oder gestützt werden muss, nicht besonders viel abverlangt. "Hauptsache das Dekolleté sitzt tief genug" scheint hier die Devise ihres Gatten (der österreichische Regisseur Harald Reinl) gewesen zu sein.
Lustige Momente beschert auch Vladimir Meda als bärtiger Priester, der in Wirklichkeit ein etwas dümmlicher Bandit ist ("Er ist ein Toter! Ein Toter, der lebt! Ich habe zu wenig im Kopf, um dies zu begreifen!"). Im weiteren Verlauf mutiert er allerdings zu MacGyver, der sich clever Fluchtwege bastelt.
Die bedauerlicherweise kurze, aber unverwechselbare Präsenz eines (unterforderten) Christopher Lee bildet das cineastische Sahnehäubchen auf dem illustren Ensemble.

Gedreht wurde unter anderem im beschaulichen mittelalterlichen Rothenburg ob der Tauber (im Anschluss an diesen Text gibt es ein kleines Drehortfoto-Special) sowie im Isartal bei Straßlach und im Teutoburger Wald.
Die bunten Innenaufnahmen des etwas eng wirkenden Schlosses entstanden in den Bavaria Film Studios.
Mit der Dekoration der Kellergewölbe, der Ausstattung des Labors von Graf Regula und der farbenfrohen Ausleuchtung der genannten Räumlichkeiten wird das Auge bei Laune gehalten während das Drehbuch immer mehr ausdünnt.
Aber das macht überhaupt nichts. Man verteile ein paar Leichenteile, Schaufensterpuppen, eine Handvoll junge Ratten und hungrige Geier im Bild und schon gibt es wieder etwas zu Bestaunen.
Und während Teufelskerl Roger ohne mit der Wimper zu zucken gefesselt gefühlte zwanzig Minuten unter dem langsam näher kommenden tödlichen Pendel liegt, erhält man hinreichend Gelegenheit, die lustigen Wandmalereien im Hintergrund gründlich zu studieren.

"Die Schlangengrube und das Pendel" ist für manche wohl ein stümperhafter und langweiliger Film, für mich allerdings ein farbenprächtiges Spektakel mit augenzwinkerndem Humor.
Praktisch jede Minute passiert etwas, was nicht immer unbedingt erklärt wird oder Sinn macht, aber für gediegene Unterhaltung sorgt.


Lieblingszitate:

"Ich bin schon tot. Gehängt. Ja, gehängt. Wenn man rechtzeitig vom Galgen geschnitten wird, entwickelt der Körper Stoffe, die gegen Kugeln immun machen."
Diener Regulas zum Banditen, der gerade auf ihn geschossen hat

Ebenfalls nicht zu verachten, sind die rücksichtsvollen und Zeit sparenden Ausführungen Regulas, der nach seiner Wiedererweckung das dringende Bedürfnis hat, sich seinen Gefangenen zu erklären:
"Ich will Sie nicht langweilen. Doch ich glaube, ich schulde Ihnen einige Erklärungen.
Ich habe versucht, dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur zu kommen. Ich habe dieses Geheimnis gefunden. Das Blut birgt dieses Geheimnis. Es ist nicht nur der Saft des Lebens. Er birgt in sich das Überleben.
Aber ich will nicht in Details gehen..."




Drehortfotos (Rothenburg ob der Tauber im Mai 16) - Screenshots jeweils linksbündig




































Foto: DVD von ems




Foto: Blu Ray von M Square Classics