Sonntag, 30. März 2014

LA MALA ORDINA (1972)














DER MAFIABOSS - SIE TÖTEN WIE SCHAKALE

Deutschland, Italien 1972
Regie: Fernando Di Leo
DarstellerInnen: Mario Adorf, Henry Silva, Adolfo Celi, Woody Strode, Femi Benussi, Cyril Cusack, Sylva Koscina u.a.


Inhalt
Frank und David werden vom einflussreichen Mafiapaten Corso von New York nach Mailand beordert, um den Zuhälter Luca Canali zu töten.
Letzterer soll die Organisation um 10.000 Dollar erleichtert haben. Vor Ort suchen die beiden Killer auftragsgemäß Don Vito Tressoldi, den Mailänder Mafiaboss auf, um diesen um Mithilfe beim Aufspüren von Canali zu bitten.
Der arme Luca Canali selbst hat keine Ahnung, warum er vom einen Tag auf den anderen plötzlich zum meist gesuchten Mann Mailands geworden ist. Er lässt nichts unversucht, um seinen Henkern nicht in die Hände zu fallen und entpuppt sich als wahre Kämpfernatur.
Frank und David, aber auch die Schergen von Don Vito Tressoldi, haben sich die Ausführung ihres Auftrags wohl einfacher vorgestellt und haben ihre liebe Not mit der Suche nach Canali...






"Der Mafiaboss" ist der zweite Teil von Fernando Di Leos "Milieu-Studie" (vgl. Milano Kaliber 9 und Der Teufel führt Regie).
Es ist vermutlich auch der Teil mit dem höchsten (reinen) Unterhaltungswert, und dies nicht nur wegen der besonders gelungenen deutschen Synchro.
In erster Linie lebt der Film von seinen Actionszenen und den Hauptdarstellern, allen voran Mario Adorf.
Jener spielt den Zuhälter Luca Canali, der ohne den Grund für seine plötzliche "Berühmtheit" in der Unterwelt zu kennen, langsam aber sicher von seinen Verfolgern in die Enge getrieben wird und dadurch vom einfachen Kleinkriminellen notwendigerweise zur Kampfmaschine mutiert.
Herrlich, wie er mit einem gezielten Kopfschlag andere in die Knie zwingt, Autoscheiben einschlägt und sogar Wählscheiben von Telefonen zertrümmert!

Daneben noch Henry Silva (Der Berserker, Der Teufel führt Regie) und Woody Strode (ua. bekannt aus "Keoma" oder "Spiel mir das Lied vom Tod") als Auftragskiller, die nicht nur durch ihre Körpergröße und ihre Statur beeindrucken, sondern auch aufgrund ihrer etwas einseitigen Mimik im wahrsten Sinne des Wortes eine tolle Show abliefern.
Adolfo Celi (der Mann, dessen imposante Nase beinahe einen rechteckigen Winkel bildet und den Italo-Fans natürlich kennen und schätzen) und einige der "üblichen Verdächtigen" gehören ebenfalls zum Cast. Eine besondere Zugabe ist Don Vito Tressoldis Butler, der aussieht wie eine Kreuzung zwischen Frankenstein und dem Glöckner von Notre Dame.
Eine imposante Erscheinung, der Mann!
Der Soundtrack ist eingängig und es sind alle wichtigen Elemente eines guten Poliziottesco vorhanden.

Einzig im Vergleich zu den oben genannten anderen beiden Di Leo-Werken fällt die Bewertung für "Der Mafiaboss" etwas ab, da die Ernsthaftigkeit, mit der die Mafia-Thematik in den anderen Filmen behandelt wird, zugunsten des Unterhaltungswerts ein bisschen verloren geht.
Die etwas romantisch angehauchte bzw. naiv-verklärte Darstellung des Zuhälters Luca Canali macht den Film zugleich aber auch wieder zu etwas Besonderem - und erhöht das Sehvergnügen ungemein!

Zitat: (New Yorker Mafiaboss zu David und Frank):
"Ihr dürft ein riesiges Spektakel daraus machen, Jungs. Legt ihn so um, dass ganz Mailand, ganz Italien davon spricht. Es muss ein richtiger Schock sein, versteht ihr?
Es wird Zeit, dass man den Burschen da drüben klar macht, wer hier der Boss ist. Wo kommen wir denn da hin, wenn uns jeder dahergelaufene Zitronenpflücker auf der Nase herumtanzen kann!?!"

"Der Mafiaboss" ist ein temporeicher Poliziottesco und gehört zu meinen persönlichen Favoriten im Genre. Wer Wert auf gute Unterhaltung legt, wird seine wahre Freude am Film haben.
Neben absoluten Kultdarstellern des italienischen Kinos gibt es Action von der ersten bis zur letzten Minute (kaum zu überbieten: Das Finale auf einem Autofriedhof!), Komik und Tragik sind ebenfalls inbegriffen.
So macht Italo-Kino Spaß!




Foto: Raro Video Blu Ray (Crime Box), NEW DVD, italienische Raro-DVD



Freitag, 28. März 2014

LA CITTÀ SCONVOLTA: CACCIA SPIETATA AI RAPITORI (1975)














AUGE UM AUGE

Italien 1975
Regie: Fernando Di Leo
DarstellerInnen: Luc Merenda, James Mason, Irina Maleeva, Vittorio Caprioli, Salvatore Billa u.a.


Inhalt
Zweirad-Mechaniker Mario Colella hängt nach dem Tod seiner Frau seine Motocross-Karriere an den Nagel, um sich ganz der Erziehung des einzigen Sohns Fabrizio zu widmen.
Bauunternehmer Ingenieur Filippini ist ein macht- und geldgieriger Despot.
Die beiden Männer verbindet auf den ersten Blick rein gar nichts - bis der Sohn von Filippini von Lösegelderpressern direkt vom Schulhof weg entführt wird.
Fabrizio versucht seinem Freund zu helfen und wird von den Bösewichten im Eifer des Gefechts kurzerhand mit ins Auto gepackt.
Während Mario Colella sein gesamtes Hab und Gut ohne mit der Wimper zu zucken verkaufen würde, um Fabrizio wieder in seine Arme schließen zu können, findet Filippini die von ihm für seinen Sohn geforderte Lösegeldsumme zu hoch und beginnt einen makabren, nervenaufreibenden Handel mit den Entführern, der sich über mehrere Tage hinzieht.
Dieser endet mit dem Tod Fabrizios. Colella erkennt, dass er nichts mehr zu verlieren hat und heftet sich an die Fersen der Erpresser...






An den Filmen von Regisseur Fernando Di Leo kommt man als Liebhaber(in) des italienischen Kinos der Siebziger eigentlich nicht vorbei.
Seine Filmografie hat zwar lediglich 22 Titel zu verzeichnen (als Drehbuchautor war Di Leo bei doppelt so vielen Filmen involviert), dennoch sind seine Werke für das Genre von großer Bedeutung.

Di Leo, der sein künstlerisches Dasein tendenziell als eher unverstandener und als unter selbsternannten Moralaposteln verhasster Regisseur fristete, war schlechte Kritik gewohnt.
Wahrscheinlich überraschte es den promovierten Juristen und politisch links orientierten Filmemacher nicht besonders, als es für den 1975 entstandenen "Auge um Auge" nicht nur in Italien in erster Linie negative Kommentare hagelte.
"Billiger Actionfilm, der die scheinbare Ohnmacht des Staats ausstellt, um Selbstjustiz zu legitimieren" mokierten sich die Autoren des "Lexikon des Internationalen Films".
Auch eine Interpretationsmöglichkeit.

"Auge um Auge", der im Jahr 1975 entstand, ist nicht nur Poliziottesco, sondern auch ein Selbstjustiz-Drama, das in erster Linie von seinen authentischen SchauspielerInnen, allesamt einprägsame Charaktere, lebt.
Wer nach Il poliziotto è marcio dachte, Luc Merenda wäre nicht zu großen Emotionen fähig, irrt gewaltig.
Die Rolle des verzweifelten und desillusionierten Colella wird von ihm mehr als überzeugend verkörpert, während Parade-Bösewicht James Mason als abgebrühter Ingenieur Filippini brilliert.
Vittorio Caprioli (u.a. zu sehen in Oben ohne, unten Jeans als Kommunenoberhaupt Nazariota), so etwas wie ein italienischer Louis de Funès, mimt den exzentrischen Kommissar Magrini, der durch sein loses Mundwerk und seine oft unüberlegten Sprüche die Stimmung immer wieder auflockert.

Die Handlung ist denkbar einfach, aber wirkungsvoll inszeniert.
Besonders hervorzuheben sind dabei die wilden Verfolgungsjagden zwischen Auto und Motorrad durch schmale Gassen und über steile Treppen.
Wer Der Mafiaboss kennt, weiß, dass es die Actionszenen von Di Leo in sich haben.
Merenda, der nicht nur auf dem Motorrad eine gute Figur macht, rast sogar durch die Glasfront einer Imbissbude und vollführt weitaus mehr als einen formvollendeten Motorrad-Stunt.
Landschaftlich ist nicht nur durch den Ortswechsel von Rom nach Mailand für Abwechslung gesorgt.
Die Hütte, die die Entführer zum Rückzug nutzen, liegt hinter einer staubigen, sich den Hügel hinaufschlängelnden Bergstraße mitten im Hinterland der schönen Abruzzen. Da bekommt man direkt Fern- (oder Heim-)weh nach Bella Italia!

Nach der Sichtung aller verfügbaren Interviews mit Di Leo, der sich seiner Provokation immer bewusst war, und der Auseinandersetzung mit seiner Arbeit, bin ich der Meinung, dass sein Motiv für "Auge um Auge" keineswegs die platte Rechtfertigung von Selbstjustiz war.
Es ging ihm wohl mehr um die Veranschaulichung der Wert- und Moralvorstellungen der Protagonisten.
Und um die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, bei denen die gierigen Reichen von den Behörden bevorzugt werden (Kommissar Magrini ruft auf Weisung des Polizeipräsidenten den Immobilienhai-Vater höchst persönlich an, um ihn über die Entführung zu verständigen, während Colella aus den Medien davon erfahren muss).

Sorgfältig herausgearbeitet wurde auch die Machtlosigkeit des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Colella auf der einen Seite und auf der anderen Seite die größenwahnsinnige Selbstüberschätzung von Filippini, der über den Geldwert des Lebens seines eigenen Sohns verhandelt.
Schlussendlich scheint die Rache des von der Polizei und Filippini im Stich gelassenen Colella nur konsequent. Ihn hat niemand unterstützt, er war nie in einer Position, in der er sich selbst als handlungsfähig erleben konnte und entwickelt sich dadurch zu einem Mann, der rein gar nichts mehr zu verlieren hat.

Der einfache italienische Bürger, der als Spielball zwischen Behörden und Vertretern einer höheren Gesellschaftsschicht fungiert und seine Gefühle der Ohnmacht und Verzweiflung durch einen Akt der Gewalt kompensiert, ist ein typisches Di Leo-Thema.
Und wenn das Ganze auch noch auf stilsichere Art von einem coolen Luc Merenda dargestellt wird, ist für spannende Unterhaltung gesorgt.

"And if in this great country of ours, there was no one who could find 10 billion from one day to the next, as if it was peanuts, there'd be no more kidnapping."
(Kommissar Magrini zu einem seiner Mitarbeiter)

"Auge um Auge" ist kein Milano Kaliber 9 und zählt wohl nicht zu den herausragendsten Werken Di Leos, hat aber seinen ehrenwerten Platz in den Top 25 des italienischen Polizeifilms mehr als verdient.
(Als Blu Ray in der empfehlenswerten amerikanischen "Fernando Di Leo Italian Crime Box No. 2" erhältlich.) 




Foto: Blu Ray aus der Di Leo Crime Box (Raro), NEW DVD, italienische Raro Video VÖ



Montag, 24. März 2014

SPECIAL: FANTASY FILMFEST NIGHTS 2014














22. & 23. März 2014
Stuttgart, Kino: Metropol


TAG 1

Kommen am 22. März gegen Mittag in Stuttgart an und entdecken ein leckeres asiatisches Restaurant.
Da gab's Ente und mal was zu trinken...




Dann weiter ins Kino,





Dauerkarten (in extra grusligem Pink) abholen und los geht's mit


WOLF CREEK 2
Australien 2013
Regie: Greg Mclean

Während ich mich für den ersten Teil nie wirklich begeistern konnte, da gute zwei Drittel des Films rein gar nichts passiert und diese dann auch noch gefühlte 90 Minuten dauern, muss ich eingestehen, dass Teil 2 um Einiges temporeicher und lustiger ist als sein Vorgänger.
Nicht nur die Redneck-Polizisten, die sich gleich zu Beginn schon mit unserem Psychopathen anlegen (und dies natürlich umgehend bereuen), sondern auch die lustigen deutschen Touris Rutger (!) und Katarina (die mit einem befremdlichen Akzent sprechen) und der derbe Humor des Bösewichts sind für den ein oder anderen Schmunzler gut.
Besonders sympathisch: der Final-Boy. Ein Engländer, der nicht nur sehr leidensfähig, sondern auch recht schlau ist und unserem bösen Killer das ein oder andere Schnippchen schlägt.
Über die CGI-Känguruhs mal milde hinweg gesehen sind die Effekte gar nicht so schlecht und erstaunlich kompromisslos.
Kann man sich mal ansehen, als Festival-Einstieg ganz nett, gekauft wird er nicht.


LAS BRUCHAS DE ZUGARRAMURDI
(Witching and Bitching)
Spanien, Frankreich 2013
Regie: Álex de la Iglesia

Der Titel verrät es bereits: es geht in Álex de la Iglesias' Film um Frauen. Diese sind in den Augen des Regisseurs entweder Witches oder Bitches.
Was optisch recht skurril, temporeich und vielversprechend beginnt, artet zu einer Abrechnung Iglesias' mit der Frauenwelt aus.
Denn diese sind im Film ohne Ausnahme Männer bevormundende, herrschsüchtige Biester (auch die ohne Zauberkräfte). Die Protagonisten haben allesamt Angst vor ihren Frauen und können sich ihnen gegenüber nicht durchsetzen.
Ein gebildeter Mann hat mir mal erklärt, dass viele misogyne Männer sich in Wirklichkeit vor Frauen fürchten, weil sie als Kind in punkto Überleben naturgemäß auf die Mutter angewiesen waren und diese Abhängigkeit bei manchen ein nachhaltiges Trauma bzw. eine Angst auslöst, die sie später durch Frauenfeindlichkeit zu kompensieren versuchen. Irgendwie ist mir das am Ende des Films wieder eingefallen.
Schon im Vorspann werden mächtige Frauen (u.a. Frau Merkel) dämonisiert bzw. lächerlich gemacht.
Was man "W&B" abgesehen davon noch ankreiden kann: Er ist stellenweise langatmig und zu bemüht (aber nicht gekonnt) "over-the-top".
Aber wer sich am Anblick "der größten Hängetitten seit Braindead" (Zitat aus dem Filmmagazin "deadline") erfreuen möchte, wird diesen Film wohl recht vergnüglich finden.


THE GREEN INFERNO
USA 2013
Regie: Eli Roth

Ein Haufen unsympathischer, verwöhnter und weltfremd-idealistischer Ami-StudentInnen fliegt nach Peru, um sich dort ein bisschen wichtig zu machen.
Ihr Wortführer und zugleich Organisator des Trips möchte einen Eingeborenen-Stamm vor den bösen imperialistisch-kapitalistischen Plänen einer Baufirma retten.
Weil sich Regisseur Eli Roth wohl auch gerne ein bisschen wichtig macht, wurden wir im Kinosaal von Popcorn-schmatzenden Securities beäugt (offizielle Begründung: es soll in den USA nun doch noch eine Kino-Veröffentlichung des Films geben und deswegen diese streng vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen...).
Wäre aber auch schlimm, wenn jemand (Ironie-Modus an) dieses Meisterwerk an subtilem Humor und kompromisslosem Splatter mit seinem Handy mitfilmt... (Ironie-Modus aus)
Was bleibt:
Ein weichgespülter Kannibalenfilm für das junge Massenpublikum, das sich bereits an Hostel und anderen Machwerken von Roth ergötzt hat.


RETORNADOS
(The Returned)
Kanada, Spanien 2013
Regie: Manuel Carballo

Ahja, wieder mal ein Zombie-Film. Seit Zombies mit Serien wie "Walking Dead" Mainstream geworden sind, gab es ja nicht mehr viel an Innovationen im Genre.
Schon bei der Ankündigung, dass man Taschentücher bereithalten soll, wurde ich ein bisschen skeptisch.
Aber worum geht es?
Eine junge, in der Kindheit traumatisierte Ärztin (verlor beim Ausbruch der Zombie-Seuche ihre Eltern *schnief*) liebt einen netten Musiklehrer und Ex-Zombie, der durch tägliche Injektionen mit einem virenhemmenden Medikament vor einer Verwandlung abgehalten wird.
Doch als das Medikament knapp wird und die Gesellschaft gegenüber den "Returned" immer feindseliger und paranoider wird, bekommt ihr junges Glück einen negativen Beigeschmack.

Ich gestehe, ich habe es versucht. Aber ich habe es nicht geschafft. Ich wollte, aber es ging nicht.
Statt mir anzuschauen, was aus dem Paar wird und welche schicksalshaften Wendungen der Film nimmt, bin ich die Treppe runter,




und weiter ins Starbucks, wo es leckeren Kaffee gab.
Zum Abschluss des Abends kamen wir noch in den Genuss von


SNOWPIERCER
Südkorea, USA, Frankreich 2013
Regie: Joon-ho Bong

Die Geschichte ist wirklich gut (ja ok, die ist vom Comic übernommen, aber trotzdem). Besonders hervorzuheben ist die bitterböse Ironie des Schicksals: beim Versuch, die Menschheit vor der globalen Erderwärmung zu retten, wird durch Einsatz chemischer Bomben beinahe die gesamte Erdbevölkerung ausgelöscht.
Es tritt nämlich ein nicht beabsichtigter Effekt auf und die Menschen finden sich in einer von ihnen selbst verursachten Eiszeit wieder.
Ein Hi-Tech-Zug, der als eine Art Arche auf einem gigantischen Schienennetz im Kreis fährt, beherbergt die letzten Überlebenden der Katastrophe.
Diese fristen ihr Dasein zusammengerottet in den ihnen zugeteilten Waggons und machen - wie sollte es auch anders sein- sich nun dort gegenseitig das Leben schwer.
Es gibt benachteiligte und privilegierte, hungernde und im Überfluss lebende, sadistische und altruistische Charaktere und solche, denen alles egal ist.
Neben den fabelhaften SchauspielerInnen (die göttliche Tilda Swinton, der charismatische John Hurt, Paradebösewicht John Harris und dem coolen, aus "The Host" bekannten Song Kang-ho) besticht dieser Fantasy Film durch skurrile Wendungen (Stichwort: Ostereier) und eine ansprechende düstere Optik.
Schöner Abschluss des Abends.


TAG 2

Nach einem Frühstück (fettes Steak mit Ofenkartoffel und Speckbohnen) im Maredo geht's die Treppe rauf




und vorbei an Horden von kleinen Kindern, die mit ihren Eltern die Sonntagsnachmittags-Vorstellung besuchen, rein in den Saal 1, wo wir begrüßt werden mit


IN FEAR
England 2013
Regie: Jeremy Lovering

Wie hieß der Film nochmal? Ich kann mir den Titel partout nicht merken und werde mir vermutlich auch die Handlung nicht langfristig merken können. Aber vielleicht den Namen des Regisseurs. Wer heißt schon wie ein Sexspielzeug?
Die Idee ist ja nicht schlecht. Vor allem Leute, die wie ich in Zeiten bevor es Navigationssysteme für's Auto gab, schon öfters stundenlang (verzweifelt) in einer abgelegenen Gegend auf unbeleuchteten Straßen und Waldwegen nach einem Lokal gesucht haben, können sich rasch in die Protagonisten (ein junges Paar) hineinversetzen, die auf der Suche nach einem Hotel in die Irre geführt werden.                      
Nach stundenlanger Suche und unheimlichen Vorfällen liegen bei den Beiden die Nerven blank - dementsprechend gehen sie auch miteinander um.
Leider funktioniert das psychologische Kammerspiel nur bedingt, der Film zieht sich und zieht sich wie Kaugummi und der unvermeidlich aus der Dunkelheit auftauchende Psychopath wirkt irgendwie etwas unmotiviert.
Die bildhafte Umsetzung bzw. Dramaturgie hält leider nicht, was sie anfangs verspricht und ein dünnes Drehbuch ist am Ende halt doch unverzeihlich.
Schade.


RIGOR MORTIS
(Goeng si)
Hongkong 2013
Regie: Juno Mak

Einer dieser mühsamen asiatischen Filme ohne Handlung in Computerspiel-Optik. Eine Mischung zwischen Haunted-House-Grusel und Vampirjägergeschichte.
Wir schleichen uns raus. Zeit für eine Kaffeepause...


ENEMY
Kanada, Spanien 2013
Regie: Denis (kein Tippfehler) Villeneuve

Ein junger Geschichteprofessor trifft auf seinen (bösen) Doppelgänger und macht sich mit ihm bekannt.
Ein Fehler...
Die Handlung basiert auf dem Roman "Der Doppelgänger" von Jose Saramago, der auch "Die Stadt der Blinden" geschrieben hat.
Die Welt ist gelb. Zumindest in diesem Film, denn viele Szenen wirken wie mit einem geblichen Filter überzogen. Dies verstärkt die Empfindung von purem Surrealismus, der durch die Handlung bereits vorgegeben ist.
Ein sehenswerter, eigenartiger Film, der in nicht unwesentlichem Maße auch von seinen SchauspielerInnen (Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent) lebt. Wie man es bereits von Saramago gewohnt ist, gibt es keine eindeutige Auflösung. Viele Fragen am Ende, die den Film im Gedächtnis lebendig halten.


DØD SNØ 2
(Dead Snow: Red vs. Dead)
Norwegen 2014
Regie: Tommy Wirkola

Nachdem der erste Teil bei mir nicht wirklich gezündet hat, war ich absolut positiv überrascht über das Sequel von "Dead Snow".
Ein witziger und unterhaltsamer Splatter-Film (und das bestimmt nicht nur auf norwegisch) mit originellen Charakteren wie zum Beispiel eine selbsternannte amerikanische "Zombie-Squad", bestehend aus drei Nerds, oder dem artigen und bemitleidenswerten "Helfer-Zombie" auf der Seite derjenigen, die gegen die bösen Nazi-Zombies kämpfen.
Es ist natürlich kein zweiter "Braindead" (der meiner Meinung nach bis dato unerreicht ist und vermutlich auch bleiben wird), aber ein lustiger Guts-and-Gore-Film, den man sich zwischendurch mal ansehen kann.
(Außer man ist die Frau neben mir, die so aufgeregt war, dass sie permanent laut mit ihrem Freund quatschen musste.)


THE SACRAMENT
USA 2013
Regie: Ti West

Ähnlich wie damals bei "We need to talk about Kevin" enden die FFF-Nights mit einem ordentlichen Downer.
Der auf wahren Begebenheiten beruhende Film über eine Sektengemeinde, die sich für ein autarkes Leben im Dschungel und Isolation von der Gesellschaft entschieden hat, ist wirklich harter Stoff.
Regisseur Ti West bemühte sich offensichtlich um eine sehr realistische Darstellung. Und so werden wir (mehr oder minder unvorbereitet) ZeugInnen eines tragischen Ereignisses, das uns wie angewurzelt im Sessel kleben lässt, während der Abspann an unseren Augen vorbeizieht...


FAZIT

Das Programm war jetzt nicht so der Knaller wie im letzten Jahr, aber das Festivalgefühl, das Publikum (das bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr diszipliniert und ruhig war), der Kino-Marathon und das Erlebnis, einen Film in Originalfassung (mit oder ohne Untertitel) zu sehen, der in dieser Form (ungeschnitten) wahrscheinlich nie ins Kino kommen wird, auf einer großen Leinwand zu sehen, ist immer wieder ein Erlebnis.

FFF 2015? Da simma dabei :)




Freitag, 21. März 2014

THE OMEN (1976)














DAS OMEN

USA 1976
Regie: Richard Donner
DarstellerInnen: Gregory Peck, Lee Remick, David Warner, Billie Whitelaw, Harvey Stephens u.a.

Inhalt
Rom am 06.06. zur sechsten Stunde des Tages:
Botschafter Jeremy Thorn tauscht sein bei der Geburt verstorbenes Baby gegen ein zur gleichen Zeit im selben Krankenhaus geborenes Waisenkind und gaukelt seiner Frau vor, es sei ihr gemeinsames Kind.
5 Jahre später leben die Thorns mit ihrem Sohn Damien in England.
An Damiens Geburtstag begeht sein Kindermädchen vor den Augen aller Gäste Selbstmord, indem sie zuerst nach ihm ruft und sich dann mit einem Seil um den Hals vom Dach stürzt.
Das neue Kindermädchen Mrs. Baylock kommt ungefragt und unbestellt ins Haus. Von da an beginnen sich seltsame Ereignisse rund um den Thornschen Sprössling zu häufen...






"Laßt ihn, der es weiß, dem Untier eine Zahl zuordnen; denn es ist eine menschliche Zahl, die Zahl lautet: 666"
Buch der Offenbarung

Der 1976 entstandene Horrorfilm hat -ähnlich wie "Der Exorzist"- wohl mehr als eine Generation von Kindern und Jugendlichen gebannt, geängstigt und geprägt.
Bis heute läuft mir ein kleiner Schauer über den Rücken, wenn ich den Namen "Damien" höre.
Mittlerweile gibt es sogar Menschen, die (mir unverständlicherweise) auch hierzulande ihre eigenen Kinder so nennen.
Ich bin ja nicht abergläubisch, aber "Damien" würde ich nicht einmal meinen Goldhamster nennen (wenn ich einen hätte).
Wenn besagte Eltern den Film kennen würden, wüssten sie nämlich: Damien ist der Antichrist!
Der Sohn des Teufels, der geboren wurde, um die Herrschaft über die Erde zu erlangen und Verderben über die Menschheit zu bringen.

Der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten fünf Jahre alte Harvey Stephens verkörpert den bösesten und unheimlichsten Jungen, der je über eine Leinwand getapst ist.
Da er nicht oder nur ganz selten spricht, wirkt er irgendwie zwischen leicht zurückgeblieben und verschlagen bis bösartig.
Als ZuschauerIn erhält man dadurch wohl eine ähnliche Perspektive wie Damiens Adoptiveltern: man kann sich nie ganz sicher sein, was in dem Kind vorgeht.

Besonders hervorzuheben ist auch die starke Leinwandpräsenz von Billie Whitelaw in der Rolle von Damiens Beschützerin: die fanatische und bösartige Mrs. Baylock. Ihr Lächeln lässt einem beinahe das Popcorn in der Kehle feststecken.

"Das Omen" entfaltet sehr rasch seine eigene, düstere Magie und legt einem eine unsichtbare Schlinge um die Kehle, die sich langsam zuzieht.
Der Film ist an vielen Stellen recht originell (man denke an Damiens Zoobesuch und Reaktion der Affen) und stilvoll choreographiert.
Besonders die Szene, in der Thorn und der neugierige Fotograf auf einem alten etruskischen Friedhof nach dem Grab von Damiens wahrer Mutter suchen, besticht durch seine düster-morbide Optik: der Himmel, der sich unheilvoll verdunkelt hat, aber an manchen Stellen noch hellblau leuchtet, die uralten mit Moos und Unkraut bewachsenen Gräber und - nicht zu vergessen - die bedrohlichen zähnefletschenden Rottweiler.

"Sanguis bibimus. Corpus edimus (..) Ave, ave versus christus!"
Text aus dem Hauptthema des Soundtracks

An Stellen, an denen die Geschichte ein bisschen schwächelt und der Film manchmal etwas lang wirkt, schafft es der opulente klangvolle Soundtrack vom Ausnahme-Filmkomponisten Jerry Goldsmith dies wieder wettzumachen und verbreitet eine beklemmende apokalyptische Stimmung.
Zu Recht erhielt der Künstler dafür im Jahr 1977 einen Oscar.

Horrorfans sind (bis auf wenige Ausnahmen) generell ein recht dankbares Publikum und sollten keine Probleme haben, über die ein oder andere Ungereimtheit in der Handlung hinwegzusehen.
Das gehört gewissermaßen zum Genre dazu.

"Das Omen" ist und bleibt ein Klassiker des Horrorfilms und hat anno dazumal nicht ohne Grund eine Welle von Okkult-Horrorfilmen ausgelöst.
Ave Satani!




Foto: Steelbook von 20th Century Fox



Sonntag, 16. März 2014

NON SI DEVE PROFANARE IL SONNO DEI MORTI (1974)














DAS LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN
INVASION DER ZOMBIES (Wiederaufführungstitel)

Italien, Spanien 1974
Regie: Jorge Grau
DarstellerInnen: Cristina Galbó, Ray Lovelock, Arthur Kennedy, Aldo Massasso, Jeannine Mestre u.a.


Inhalt
Der sympathische Hippie George trifft bei einer Motorradfahrt durchs Land an einer Tankstelle auf die leicht reizbare Edna, die ihre Schwester in deren Landhaus besuchen möchte.
Da Edna durch unkonzentriertes Rücksetzen an der Zapfsäule das Motorrad von George verkehrsuntauglich gemacht hat, nimmt sie den jungen Mann als Entschädigung mit.
Als die beiden unterwegs Halt machen, um nach dem Weg zu fragen, erleben sie Wundersames:
George trifft auf einen Bauern, der mithilfe einer neuartigen Maschine, die Hochfrequenz-Schallwellen ausstrahlt, Schädlingsbekämpfung betreibt.
Die Strahlung soll auf das Zentralnervensystem der Insekten wirken, die nach der "Behandlung" dem Kannibalismus verfallen.
Edna wird beim Warten auf George im Auto von einem vor Nässe triefenden Landstreicher mit blassem Gesicht und roten Augen angegriffen und kann gerade noch entkommen.
Als Edna und George endlich bei Edna's heroinsüchtiger Schwester und deren Mann, die mitten in der Einöde leben, ankommen, finden sie ein grausiges Szenario vor:
Ednas Schwester befindet sich in einem hysterischen Schockzustand und ist unfähig, das Geschehene zu verbalisieren, Ednas Schwager wurde bestialisch ermordet.
Die Polizei trifft nur wenig später am Ort des Geschehens ein.
Der besserwisserische Inspektor hat sogleich den Verdacht, dass George der Täter und Edna wahrscheinlich seine Komplizin ist.
Während George und Edna versuchen, ihre Unschuld zu beweisen, finden sie höchst Seltsames heraus:
Der Landstreicher, von dem Edna attackiert wurde, soll eigentlich bereits vor einer Woche ertrunken sein, in einem Krankenhaus kämpfen Ärzte gegen aggressive und beißwütige Neugeborene, Leichen verschwinden aus ihren Gräbern,...






Der ansonsten sehr schnuckelige Ray Lovelock (bekannt aus Poliziottesci wie z.B. Der Berserker und anderen italienischen Genreproduktionen der 70er) spielt den bärtigen Hippie George, der nicht nur die Ursache der Zombie-Invasion herausfindet (kann man sich -abhängig von der gewählten Synchro aussuchen, ob es ein neuartiges Insektengift, das nicht unweit des Leichenschauhauses getestet wird oder ein Gerät, das zur Bekämpfung von Ungeziefer radioaktive Strahlung in die Atmosphäre verteilt), sondern auch zum mutigen Kämpfer und Helden des Films wird.
Seine Hauptrollen-Partnerin Cristina Galbó (ua. bekannt aus dem genialen Giallo Das Geheimnis der grünen Stecknadel) glänzt zwar weniger durch Heldinnentum, spielt aber die vom Drehbuchautor der Frauenrolle zugeschriebenen hysterischen Anfälle glaubwürdig.
Was wäre denn ein Horrorfilm ohne überforderte, schutzbedürftige, hysterisch kreischende Frauen?
Aber das ist wieder ein anderes Thema...

Über Arthur Kennedy wurde in Reviews zu "Das Leichenhaus der lebenden Toten" bereits viel philosophiert, zumal Jorge Grau im Interview erwähnt, dass der alternde Star unverkennbar charakterliche Parallelen zum verbitterten, radikalen und jähzornigen Kommissar aufzuweisen hatte...

Neben den gruseligen ZombiedarstellerInnen mit hohem Wiedererkennungswert  (besonders "uaaah": die alte Frau in der Gruft) sollte unbedingt Jeannine Mestre, die die heroinabhängige Schwester von Edna spielt, lobend erwähnt werden.
Frau Mestre, die glatt als Cousine oder verloren gegangene Zwillingsschwester von Peter Bark aus "Rückkehr der Zombies" durchgeht (oder war es doch Peter Bark himself mit Perücke?), spielt ihre Rolle hingebungsvoll und wirkt in jeder Szene wie von Dämonen besessen, was dem Film neben den bissigen Säuglingen in der Kinderstation eine sympathische Trash-Note verleiht.



Ednas Schwester
Peter Bark


Alles in allem ist "Das Leichenhaus der lebenden Toten" ein von vielen verkanntes Meisterwerk auf dem Gebiet der Zombiefilme, der vor allem durch seine einzigartige, unverwechselbare Optik und Stimmung besticht: grüne Hügellandschaften Englands, ein antiker Friedhof, Nebel, Umweltthematik und Generationenkonflikt.

Die von Romero-Fans und selbsternannten Zombiefilm-Experten häufig als Erklärung bemühte und gerne interpretierte "Gesellschaftskritik", kann natürlich auch hier als Rechtfertigung für die Vorliebe für das Genre herangezogen werden.
Obgleich etwas sparsam an Gore-Effekten, wurde der Film in Deutschland beschlagnahmt - glücklicherweise hat Blue Underground eine qualitativ gute und ungeschnittene 2-Disc-Special Edition und eine Blu Ray-Disc herausgebracht.
(Nachtrag: inzwischen auch von den Labels Edition Tonfilm und XT-Video erhältlich.)




Foto: DVD Anchor Bay UK, Blu Ray v. Blue Underground und XT VÖ:





Foto: der deutsche Kinoaushangsatz findet sich in dieser Ausgabe der Creepy Images




Soundtrack







Samstag, 15. März 2014

TWINS OF EVIL (1971)














DRACULAS HEXENJAGD

Großbritannien 1971
Regie: John Hough
DarstellerInnen: Peter Cushing, Dennis Price, Mary und Madeleine Collinson, David Warbeck, Kathleen Byron u.a.

Inhalt
Der selbsternannte Hexenjäger und religiöse Fanatiker Gustav Weil bekommt Besuch seiner Nichten Frieda und Maria aus Venedig. Nach dem Tod der Eltern der jungen Zwillingsschwestern sollen diese nun im Haushalt Weil dauerhaft unterkommen.
Während Weil mit seiner "Bruderschaft" die Lande durchkreuzt und hübsche junge Frauen verbrennt, langweilt sich Graf von Karnstein in seinem Schloss, das auf einem Hügel über dem Dörfchen thront.
Eines Tages jedoch gelingt es dem exzentrischen Grafen endlich, einen Bund mit dem Teufel einzugehen und er wird von seiner Urahnin zuerst verführt und dann zum Vampir gebissen.
Und da geht die Geschichte erst richtig los...






Meiner Meinung nach gibt es einige schöne und sehenswerte Filme aus den britischen Hammerstudios, aber auch viele einschläfernde und extrem klamaukhafte Gruselstreifen aus Great Britain.
Besonders die Filme mit Peter Cushing hatten es mir bisher nicht gerade angetan.

Dieser hier ist jedoch anders.
Die Sets sind bis ins Detail liebevoll gestaltet und viele Szenen sind dermaßen schön ausgeleuchtet, dass man unweigerlich an Mario Bava denken muss.

Der abgemagerte und verhärmt wirkende Peter Cushing (der im Produktionsjahr leider den Tod seiner Frau zu verkraften hatte) in der Rolle des getriebenen Hexenjägers Gustav Weil ist wirklich eine Klasse für sich.
Allein schon seine Erscheinung, sein Auftreten, erreicht in "Draculas Hexenjagd" eine von mir bislang so noch nicht wahrgenommene Präsenz, der man sich kaum entziehen kann.
David Warbeck, der für Fulci-Fans natürlich kein Unbekannter ist, spielt einen belesenen und überlegten (Frauen-)held.
Damien Thomas, der den Grafen von Karnstein mimt, erinnert mit seiner etwas eigenen Physiognomie, den recht weit auseinander liegenden Augen und den ansonsten eher zarten Gesichtszügen ein wenig an den jungen Udo Kier.

Die Story, die sich in erster Linie um das Schicksal der äußerlich gleichen und doch vom Temperament her sehr unähnlichen Zwillingsschwestern dreht, nimmt einige Kurven und Wendungen, bevor sie ihre finale Klimax erreicht.

Es gibt diesmal auch keinen nervtötenden Soundtrack, der aus dumpfen Tönen, Trompeten oder Klaviertönen besteht, sondern richtige Musik, die zwar etwas dramatisch, aber alles in allem passend tönt.

Der durchwegs unterhaltsame Film ist für eine Produktion aus dem Hause Hammer bemerkenswert temporeich und am Ende wird sogar noch ein bisschen gesaubeutelt und gesplattert.
Die obligatorischen Dörfler, die mit ihren Fackeln ausziehen, um den Bösewicht zu meucheln, dürfen natürlich ebenso nicht fehlen wie dunkle Grüfte und ein unheimliches Schloss.

Man nehme die üblichen Gotikhorror-Zutaten, ergänze sie durch einen passenden Soundtrack, künstlerisch ausgeleuchtete Kulissen, füge einen abgemagerten, bedrohlich wirkenden Peter Cushing hinzu und würze das Ganze nach Belieben mit ein bisschen Nacktheit, Blut und einer Prise Rassismus (Joachim?!?) und fertig ist der kurzweilige "Twins of Evil".
Man rufe kurz folgenden Satz aus: "Seekout the devil worshippers - by burning them!" - und fertig ist das Gericht. 
Guten Appetit!




Foto: Koch DVD und Anolis Mediabook



Freitag, 14. März 2014

NAPOLI... SERENATA CALIBRO 9 (1978)














NAPOLI... SERENATA CALIBRO 9

Italien 1978
Regie: Alfonso Brescia
DarstellerInnen: Mario Merola, Aldo Canti, Ria de Simone, Marco Girondino u.a.


Inhalt
Zigarrettenschmuggler-Boss Don Salvatore Savastano hat sich nicht lumpen lassen: Zum Geburtstag seines geliebten Sohns feiert er mit seiner Familie ein großes Fest, für das er sogar einen Fernseh-Star als Showact engagiert hat.
Die Festivitäten werden jedoch jäh unterbrochen, als vier maskierte und bewaffnete Männer die Anwesenden überfallen und Savastanos Kind und seine Frau eiskalt erschießen.
Don Savastano überlebt den Überfall zwar physisch, psychisch kann er den Verlust jedoch kaum ertragen.
Er ist nun ein gebrochener Mann, der nichts mehr zu verlieren hat und nur noch von einem Gedanken beseelt wird: Rache!






Schon ganz zu Beginn von "Napoli.... serenata calibro 9" ahnt man, dass etwas im Busch ist und der Film kein gutes Ende nehmen kann.
Don Savastano singt auf der Geburtstagsfeier seines Sohnes.
Die Szene wird immer wieder durch kurze Einblendungen unterbrochen, in denen vier Motorradfahrer durch Neapel brausen. Schnell wird klar, dass die Männer nichts Gutes im Schilde führen und Savastano und seiner Familie wohl eine unerfreuliche Überraschung bescheren.
Nach wenigen Szenen, in denen Savastano trauert und die Beerdigung seiner Liebsten besucht, steigert sich trotz hier und da eingeschobenen komödiantischen Szenen das Erzähltempo rasant.

Savastano begibt sich entgegen des gut gemeinten Rats des Polizeikommissars eigenmächtig auf die Suche nach den Mördern seines Sohns und seiner Frau.
Dabei lernt er den Straßenjungen Gennarino kennen, der ihm hartnäckig folgt und ihn durch seine Sprüche nicht nur ein wenig aufmuntert, sondern schließlich auch auf eine heiße Spur bringt.

Savastano unterschätzt jedoch die Gefahr, die von den Verbrechern ausgeht und scheint auch nicht nachzudenken, was es für seinen kleinen Begleiter bedeutet, ständig an seiner Seite zu sein.

Kurz vor dem großen Showdown gerät Gennarino nämlich in Lebensgefahr und Savastano wird auf schmerzhafte Weise bewusst, dass es für ihn doch noch etwas zu verlieren gibt.

"Napoli... serenata calibro 9" ist ein außergewöhnlicher Poliziottesco mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Vorausgesetzt, das Eintauchen gelingt, entwickelt sich der Film zu einem bereichernden und unterhaltenden Sehvergnügen.

Zum Einen liegt dies wohl an dem neapolitanischen Sänger und Schauspieler Mario Merola, der unglaublich sympathisch und authentisch auftritt. Zum Anderen sicher auch an dem zauberhaft süßen Marco Girondino, der in seiner Rolle als Gennarino stets etwas geheimnisvoll und für sein Alter viel zu erwachsen wirkt.
Neben Nicoletta Elmi zählt er zu einem der ganz wenigen KinderdarstellerInnen, die nicht nervtötend klugscheißen und die man deshalb nach 5 Minuten schon am liebsten **** (zensiert).

Der einzige Schwachpunkt des Films ist das offensichtlich geringe Budget, das Alfonso Brescia zur Verfügung stand. Dies wird vor allem bei Schusswechseln und der ein oder anderen Action-Szene deutlich.
Aber durch die bravouröse schauspielerische Leistung der Hauptprotagonisten und die sensationelle Boots-Verfolgungsjagd am Ende wird so manch kleiner Makel wieder wettgemacht.

Schauplatz der Handlung ist der tiefe Süden Italiens. Die meisten Szenen wurden in Neapel gedreht. Die italienische Mentalität und Kultur kommt etwas stärker als in kommerzielleren Poliziotteschi zur Geltung.
Wenn man sich darauf einlassen kann, wird man mit diesem Geheimtipp seine wahre Freude haben.
Der Film ist von Raro Video mit italienischem O-Ton und englischen Untertiteln erhältlich.

"Napoli... serenata calibro 9" ist vielleicht nicht der bedeutendste, coolste oder erfolgreichste Poliziottesco, aber ein spannender, wenngleich etwas trauriger Film mit Herz und einer hohen Dosis an (italienischer!) Seele.


Foto: italienische DVD (Raro Video)



Sonntag, 2. März 2014

ANIMA PERSA (1977)














THE FORBIDDEN ROOM

Italien, Frankreich 1977
Regie: Dino Risi
DarstellerInnen: Vittorio Gassman, Catherine Deneuve, Danilo Mattei, Anicée Alvina u.a.


Inhalt
Der neunzehnjährige Tino reist zu seinem Onkel und seiner Tante nach Venedig, um dort eine Kunstklasse zu besuchen. Der etwas unsichere, aber sympathische junge Mann möchte nämlich Maler werden.
Doch die zwischen dem Hausherrn (dem charismatischen Ingenieur Stolz), und der Dame des Hauses vorherrschende eigenartige Stimmung irritiert Tino zusehends und so macht er sich auf die Spur, ein Familiengeheimnis zu lüften.
Doch dieses entpuppt sich als nicht so offensichtlich wie angenommen, da sich zusehends herauskristallisiert, dass "des Pudels Kern" nicht in der Geschichte um den verrückten Bruder des Onkels, der im Dachgeschoss lebt, steckt...






"Anima Persa" ist eine Filmrarität von ganz besonderer Qualität, Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit.
Regisseur Dino Risi, der (man mag es kaum glauben, wenn man "Anima Persa" kennt) als Altmeister der commedia all'italiana geschätzt und prämiert wurde, schafft eine bedrückende und beklemmende Atmosphäre, die angesichts der Grundthematik der Geschichte (die ich nicht verraten will) wahrlich absolut angemessen ist.

Wir verfolgen die Handlung aus der Perspektive des jungen Tino, den das bisweilen etwas ruppige Verhalten seines Onkels Fabio, das in eklatantem Widerspruch zu dessen Selbstdarstellung steht, sichtlich verstört.
Der gute Onkel legt nämlich Wert auf Etikette und frönt seiner Leidenschaft für die kulturellen Errungenschaften von Literatur und Musik.

Im Vordergrund steht vor allem die Beziehungsdynamik zwischen den Hauptcharakteren.
Allen voran die zwischen Ingenieur Stolz (Vittorio Gassman) und seiner deutlich jüngeren Frau Elisa (Catherine Deneuve).
Während sie ihn mit seinem Titel, also als Ingenieur, anspricht und sich ihm gegenüber bis auf kurze opportunistische Episoden eher devot verhält, hat er es sich offenbar zur Gewohnheit gemacht, seine Frau zu demütigen und zu kontrollieren.
Überhaupt scheint der Mann recht misogyne Züge aufzuweisen. Und dies nicht nur, weil er nur in Männergesellschaften verkehrt, sondern auch weil er der verqueren Theorie anhängt, dass Frauen eine Evolutionsstufe zwischen Tieren und Gemüse (!) darstellen.

Was zu Beginn nur subtil angedeutet wird, verfestigt sich im Laufe der Handlung und die Eigenheiten und Verrücktheiten seiner venezianischen Verwandten werden für Tino immer deutlicher, die Erklärungen von Onkel und Tante für die Geschehnisse im Haus immer widersprüchlicher und abstruser.

Die Geräusche, die Tino vor allem in der Nacht hört, machen den jungen Mann neugierig.
Mehr als einmal wagt er sich die Treppe zum Dachgeschoss-Zimmer hinauf, um durch einen Spion seinen anderen Onkel zu beobachten.
Dieser rennt dort in einer Art Bademantel wie von Sinnen herum, wirft Gegenstände um und scheint sich mit Vorliebe das Gesicht mit bunten Farben anzumalen sowie die Zunge auf obszöne Art und Weise herauszustrecken.
Der offensichtlich von allen guten Geistern verlassene Mann auf dem Dachboden macht Tino Angst.
Wie er von seinem Onkel Fabio erfährt, war sein durchgeknallter Bruder einst Naturwissenschaftler und ein erfolgreicher Mann.
Dann verfiel er immer mehr dem Wahnsinn, bis er schließlich von seiner Familie als gefährlich eingestuft wurde und deswegen sein Dasein in dem abgesperrten Dachzimmer fristet.
Den einzigen Besuch, den er zulässt, ist der seines Bruders - so erzählt man es dem Neffen zumindest.
Aber es gibt so viele Widersprüche und wundersame Verhaltensweisen von Tinos Familie, dass schon bald klar ist, dass die Wahrheit bis zum Ende im Verborgenen bleibt.


Der verrückte Onkel in Action


Vittorio Gassman, in der Rolle des herrischen Onkels, ist eine Klasse für sich.
Er fasziniert nicht nur durch sein äußeres Erscheinungsbild (die strengen Gesichtszüge, die buschigen Augenbrauen, seine Statur), sondern auch durch seine fabelhaft authentische Mimik.
Er scheint jeden einzelnen Gesichtsmuskel kontrollieren zu können und feierte zu Recht große Erfolge, auch als Theaterschauspieler.

Die bildschöne Catherine Deneuve spielt ihre Rolle mit großer Hingabe und Überzeugungskraft.
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass sie eine Schauspielerin höchsten Ranges ist und ich will an dieser Stelle mal jemand anderen sprechen lassen, nämlich den französischen Regisseur und Drehbuchautor Benoît Jacquot:
"Von allen Schauspielerinnen, mit denen ich gearbeitet habe, egal ob Anfängerinnen oder Stars, ist sie vermutlich die durchlässigste. Das hat nichts mit Fügsamkeit zu tun, sie ist einfach die Anpassungsfähigste, die Plastischste, die Durchlässigste in Bezug auf das, was im Film gerade gemacht wird."

Einige weitere originelle und exzentrische Charaktere, die in einer Stadt wie Venedig ganz und gar nicht deplatziert wirken, bereichern "Anima Persa" zusätzlich.
Da wäre zum Beispiel das "Hausmädchen": eine magere und zerbrechlich wirkende Greisin, die sich einen Spaß daraus macht, Tino den irren Dachgeschoss-Onkel zu präsentieren und mädchenhaft kichert, als sie dem jungen Mann erzählt, dass sich der Verrückte manchmal vor ihr entblößt, sie aber als Krankenschwester im Weltkrieg noch ganz andere Sachen gesehen hat...
Oder der bärtige Bekannte des Onkels, der sich in einen schwarzen Umhang gehüllt als Graf präsentiert und sich später als Croupier entpuppt.
Nicht zu vergessen die korpulente Dame, die ihre weißen Haare hochgesteckt trägt, und mit ihrem gewagten Make Up (in etwa eine Mischung aus Zombie und Gothic-Girl) den StudentInnen der Kunstklasse Kaffee serviert.

Man würde einem so vielschichtigen und dezent erzählten Film wie "Anima Persa" Unrecht tun, wenn man nur seine verstörende, beklemmende und rätselhafte Seite hervorheben würde.
Es gibt nämlich einige Szenen, die viel Humor beinhalten, der weder platt noch aufgesetzt wirkt, sondern intelligent in das Gesamtgefüge eingearbeitet ist.

"Anima Persa" ist kein klassischer Giallo und weitaus mehr als ein Drama.
Von seiner Atmosphäre her lässt er sich wohl am ehesten mit Werken von Pupi Avati, insbesondere "Das Haus der lachenden Fenster" vergleichen.
Er ist aber auch ein kleines visuelles Juwel.
Nicht nur wegen den Außenaufnahmen von Venedig (die Accademia, die Rialtobrücke, die Bootsfahrt Richtung Cimitero) sondern auch wegen den ästhetisch eingefangenen Innenaufnahmen von Kirchen, Restaurants und vor allem des prunkvollen antiken Hauses der Familie Stolz mit typisch venezianischem Mobiliar.

Der Schauplatz, das geheimnisvolle morbide Venedig, und die Handlung bilden eine interessante Symbiose. Man kann sich das Eine nicht ohne das Andere vorstellen.

Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, wie sich der Film "anfühlt", dem sei empfohlen, beispielsweise auf youtube in den stimmungsvollen Soundtrack reinzuhören.

Einen Bildvergleich der Locations aus dem Jahr 1977 und 2014 gibt es hier.


Foto: italienische DVD